Die dritte Phase des Zinszyklus hat aus Sicht der Fondsgesellschaft Standard Life Investments noch nicht begonnen. Der markante Ausverkauf globaler Anleihen in den vergangenen Wochen, der durch eher harmlose Kommentare von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB), ausgelöst worden war, halten sie für einen "Ausdruck der Selbstgefälligkeit". Offenbar rechneten die Märkte damit, dass eine Geldpolitik, die eigentlich aus der Not geboren ist, immer weiter fortgesetzt würde. 

Historisch gesehen hat ein monetärer Zyklus drei Phasen: In der ersten werden die Leitzinsen drastisch gesenkt, um eine in der Rezession steckende Wirtschaft zu stimulieren. Die zweite beginnt, wenn selbsttragendes Wachstum einsetzt und die Zinsen erhöht werden – nicht, um die Wirtschaft zu verlangsamen, sondern um unnötige Erleichterungen zu beseitigen.

Der Zyklus erreicht schließlich seinen Abschluss in Phase drei, wenn die wirtschaftlichen und finanziellen Ungleichgewichte wachsen und die Zinssätze angehoben werden, um die Bedingungen wieder ins Gleichgewicht zu bringen. "In dieser Phase gingen Notenbanken aber oft zu weit und schoben die Wirtschaft in eine Rezession", sagt Jeremy Lawson, Chefvolkswirt bei Standard Life Investments.

Die Dinge bessern sich
Den Nachkrisenzyklus hält Lawson für komplexer. Die Zinssenkungen in Phase eins hätten nicht genug Stimulus gebracht, so dass in der Not eine weitere Stufe unkonventioneller Lockerung erforderlich gewesen sei. "Deshalb traten tendenziell signifikante Verschiebungen in Niveau und Struktur der Zinskurve auf", so Lawson.

Aktuell deuten sowohl die EZB als auch andere Notenbanken an, dass die extrem niedrigen Zinsen irgendwann steigen werden. "Aber das bedeutet nicht, dass sie jetzt Phase drei des Zinszyklus einläuten", sagt der Volkswirt. Die Notenbanken sagten lediglich, dass die Notfallmaßnahmen nicht mehr nötig seien, weil die wirtschaftlichen und finanziellen Rahmenbedingungen stärker und widerstandsfähiger sind. "Der jüngste Anstieg der Zinsen sollte daher eher als ein Zeichen gesehen werden, dass sich die Dinge verbessern als dass der Zyklus zu Ende geht." (fp)