Harvard-Professor Kenneth Rogoff hat eindringlich vor den Folgen eines unerwarteten Zinsanstiegs gewarnt. "Das ist die Mutter aller Risiken", sagte der frühere Chefökonom des Weltwährungsfonds am Donnerstag auf dem Amundi World Investment Forum in Paris.

An der Wall Street herrsche die irrige Annahme, es werde nie wieder eine Rezession geben, die Inflation bleibe dauerhaft niedrig, und die Zinsen würden nie mehr steigen. "Dabei ist die Frage nur, wann und wo das passiert", so Rogoff. Er erwartet, dass sich die langfristigen Zinsen früher oder später zumindest ein Stück weit in Richtung normaler Niveaus bewegen werden. "Selbst wenn das nicht auf einen Schlag passiert, sondern sich über zwei oder drei Jahre hinzieht, wird das sehr schmerzhaft", betonte der Harvard-Ökonom.

Was löst die nächste Rezession aus?
Das Risiko einer Rezession in den USA hält Rogoff auf Sicht von einem Jahr für überschaubar. "Die Wahrscheinlichkeit dafür liegt bei rund 15 Prozent. Das ist aber immerhin wahrscheinlicher, als dass Deutschland in der Vorrunde der Weltmeisterschaft scheitert", scherzte er – und erntete dafür Lacher aus dem Publikum. Mehr als 500 Investoren aus fast 50 Ländern besuchten die Amundi-Kundenveranstaltung nahe dem Louvre.

Auch Nouriel Roubini, der zweite Starökonom auf dem hochkarätig besetzten Podium, rechnet nicht damit, dass eine Rezession unmittelbar bevorsteht. Besonders optimistisch blickt er allerdings nicht in die Zukunft, auch weil der aktuelle Konjunkturzyklus schon sehr lange andauert. "Eine Rezession braucht immer einen Auslöser", betonte Roubini. Er sieht generell drei mögliche "Trigger" für einen Konjunkturabschwung: Erstens einen externen Schock, zweitens eine zu restriktive Zinspolitik der US-Notenbank Fed oder drittens das Platzen einer Vermögenspreis- oder Kreditblase.

"Der nächste große Schock wird kommen"
Roubini erinnerte daran, dass US-Präsident Donald Trump der US-Wirtschaft mit seinen Fiskalpaketen derzeit einen zusätzlichen Impuls verschafft, obwohl die Konjunktur in den Vereinigten Staaten ohnehin schon brummt. "Dieser Stimulus kommt 2019 aber nicht mehr zum Tragen", so der Professor von der New Yorker Stern School of Business.

Der weltbekannte Ökonom sieht die Gefahr, dass in der nächsten Rezession nicht nur die fiskalischen, sondern auch die geldpolitischen "Patronen" fehlen, um die Folgen eines Abschwungs zu bekämpfen. "Darum dürfte die nächste Krise schlimmere Folgen haben als die jüngste", so Roubini. "Der nächste große Schock wird kommen. Die Frage ist nur, wann."

"Italien ist zu groß, um gerettet werden zu können"
Unheil wittert Roubini unter anderem in Italien – wegen der enormen Staatsverschuldung, die unter der neuen Regierung noch weiter steigen dürfte. Die Misere dort entwickle sich allerdings nicht so rasant wie während der letzten Euro-Krise, sondern laufe in "Zeitlupe" ab. Er rechnet jedenfalls nicht damit, dass die EU-kritische Regierung die Situation schon in den kommenden sechs bis zwölf Monaten eskalieren lässt. Mittelfristig erwartet er jedoch einen Showdown. Rom wird seiner Meinung nach darauf spekulieren, dass die EU ein Rettungspaket für Italien schnürt, weil die Volkswirtschaft zu groß sei, um sie fallen zu lassen. "Aber Italien ist auch zu groß, um gerettet werden zu können."

Philippe Ithurbide, Head of Research and Macro Strategy bei Amundi, macht sich um das südeuropäische Land dagegen weniger Sorgen – zumindest aktuell. "Italien sehen wir derzeit nicht als systemisches Risiko an", sagte er. Das könne sich allerdings ändern, wenn die hohe Staatsverschuldung wieder in den Fokus rücke. "Dann hätten wir allerdings nicht nur mit Italien ein Problem, sondern in vielen anderen Ländern auch."

Spannt Trump die Fed für seine Ziele ein?
Rogoff dagegen sieht auf kurze Sicht vor allem einen Politiker als Risiko an: Donald Trump. Die anstehenden Wahlen könnten ihn zu weiteren populistischen Handlungen verleiten, befürchtet der Harvard-Ökonom. "Die Frage ist, ob er der Fed ihre Freiheit lässt oder nicht." Rogoff zufolge erhöht die US-Notenbank die Leitzinsen derzeit schneller, als es eigentlich nötig wäre. "Ich vermute, dass tut sie, um ihre Unabhängigkeit zu unterstreichen." (bm)