Der US-amerikanische Star-Volkswirt und Harvard-Professor Kenneth Rogoff fordert, dass Banken Kleinanleger nicht mit Negativzinsen belasten. Zum Ausgleich dafür sollen Kreditinstitute eine Entschädigung vom Staat bekommen. "Man kann 99 Prozent der Kunden schützen und trotzdem die gewünschten Effekte erzielen, wenn man den Minuszins nur den großen Spielern auferlegt: den Pensionsfonds, Versicherungen oder Finanzfirmen", so Rogoff im Interview mit dem Magazin "Der Spiegel".

Die Banken können entgegen dem, was Lobbyisten behaupten, die niedrigen Zinsen sehr wohl an ihre Großkunden weiterreichen und trotzdem Geld verdienen, sagt der Starökonom. "So gut wie alle jüngeren Studien haben gezeigt, dass die Gewinne der Banken nicht ernstlich eingebrochen sind.

Notenbanken sind nicht schuld an den Niedrigzinsen
Die Europäische Zentralbank (EZB) trägt nach Ansicht des Ökonomen keine Schuld an den Minizinsen im Anlagebereich. "Der Beschluss des EZB, ihren Leitzins zu senken, ist eine Folge, nicht die Ursache der niedrigen Realzinsen", erklärt er. Die Notenbanken gehörten vielmehr neben den Kleinsparern zu den Opfern des Niedrigzinsumfelds: "In einer Welt der niedrigen Inflationsraten und Realzinsen müssen die Zentralbanken einen Weg finden, ihren Leitzins noch weiter in den negativen Bereich zu senken." Nur so sei momentan eine wirksame Geldpolitik möglich.

Warum die Zinsen eigentlich so niedrig liegen, ist laut Rogoff bis heute nicht ganz klar. "Ich sehe drei Faktoren, die oft unterbewertet werden", sagt er: Der erste sind die seit langem sehr tiefen Inflationsraten, die die Nachfrage nach Staatsanleihen als Wertanlage befeuern. "Zweitens reagieren die Märkte empfindlich auf Katastrophenängste aller Art, ob Cyberkrieg, Klimakrise oder Donald Trump", so Rogoff. Als dritten Faktor nennt er die Schwellenländer: Diese stecken ihr Geld auf der Suche nach sicheren Häfen in die Staatsanleihen reicher Länder. (fp)