An Japans Börse herrscht Rekordstimmung: Nach mehr als 34 Jahren erreichte der japanische Aktienindex Nikkei 225 im Februar ein neues Allzeithoch und überquerte kurz danach sogar die Marke von 40.000 Punkten. Nach einem hervorragenden Jahr 2023 haben sich japanische Aktien auch 2024 bislang stark entwickelt. Tilmann Galler, Kapitalmarktstratege bei J.P. Morgan Asset Management, glaubt, dass der Aufschwung sich fortsetzen dürfte. Sorgen bereitet ihm indes eine mögliche Aufwertung des Yen.

Aus Sicht von Kapitalmarktstratege Galler hat sich in Japan in den vergangenen Jahren tatsächlich vieles getan. Dazu zählen die Rückkehr der Inflation und ein deutlich höheres Wachstum als in der Vergangenheit. Doch auch unternehmensspezifische Faktoren haben sich verbessert und damit ein positiveres Umfeld für Aktionäre geschaffen. Den Kursanstieg bremsen könnte eine Aufwertung des Yen aufgrund der höheren Zinsen. Wer in japanische Aktien investiert, könnte daher besser fahren ohne Währungssicherung.

Willkommener Preisauftrieb ermöglicht Zinserhöhung
Der offensichtlichste Wandel fand bei den Preisen statt. Nachdem Japan zwei Jahrzehnte lang mit Deflation kämpfte, ist die Inflation zurückgekehrt: "Die Verbraucherpreise sind bereits seit sieben Quartalen über die Marke von zwei Prozent gestiegen und erfüllen damit eine der geldpolitischen Zielsetzungen der Bank of Japan", stellt Galler fest. Das dürfte sich fortsetzen: Die vorläufigen Ergebnisse der jüngsten Lohnverhandlungen zeigten, dass der erwartete durchschnittliche Lohnanstieg bei 5,28 Prozent liegen dürfte – und damit zum ersten Mal seit 33 Jahren über der Fünf-Prozent-Marke. Die japanische Notenbank hob folgerichtig erstmals seit 17 Jahren den Leitzins an: von minus 0,1 Prozent auf 0,1 Prozent. "Die Zinswende findet in Japan also mit anderen Vorzeichen statt", sagt Galler.

Auch das nominale Bruttoinlandsprodukt (BIP) legt zu. "In den letzten beiden Jahren ist das BIP um jährlich 3,5 Prozent gestiegen, während das Wachstum in den 20 Jahren zuvor nur jährlich 0,2 Prozent betrug", so Galler. Für die Umsatzentwicklung sei das eine gute Nachricht, da 52 Prozent des Umsatzes japanischer börsengelisteter Unternehmen auf dem Heimmarkt erzielt werden, erklärt der Kapitalmarktexperte. Das aktuell kräftige Lohnwachstum verspreche auch in den kommenden Quartalen eine robuste Nachfrage.

Umfeld für Aktionäre verbessert sich
Noch wichtiger für japanische Aktien seien aber die unternehmensspezifischen Faktoren. In den vergangenen zehn Jahren hat Japan schrittweise das Umfeld für Aktionäre verbessert. Zuletzt forderte die Tokioter Börse (Tokyo Stock Exchange) Unternehmen auf, Ineffizienzen der Kapitalallokation anzugehen. Denn mehr als 40 Prozent der Unternehmen im MSCI Japan Index verfügen über positive Nettoliquidität, erklärt Galler – viel mehr als in den USA oder Europa. Die Folgen sind eine niedrige Eigenkapitalrentabilität (RoE) und ein Bewertungsabschlag japanischer Aktien. 28 Prozent der Unternehmen im MSCI Japan haben einen Kurs-Buch-Wert unter eins und 39 Prozent einen RoE unter acht Prozent. In den USA beispielsweise liegt der Anteil mit drei Prozent sowie 22 Prozent deutlich darunter. 

"Die Auswirkungen der Reformen sind bereits sichtbar. Sowohl die Dividendenausschüttungen als auch die Aktienrückkäufe sind in den letzten Jahren stark gestiegen", erklärt Galler. Das Volumen der angekündigten Aktienrückkäufe hat 2023 einen historischen Höchststand erreicht. Der weitere Abbau der Barmittel und der Verkauf von Überkreuz-Aktienbeteiligungen zur Finanzierung von Aktienrückkäufen dürfte nach Einschätzung von Tilmann Galler zukünftig den RoE japanischer Unternehmen verbessern. Die Eigenkapitalrendite Japans könnte von 9,9 Prozent auf bis zu zwölf Prozent steigen, wodurch japanische Aktien weiteren Auftrieb erhalten. (jh)