Das Treffen der europäischen Notenbankgouverneure Mitte Juni in Portugal hat gezeigt, dass die Europäische Zentralbank mit ihrer ultralockeren Geldpolitik noch nicht am Ende ist. Egal ob USA oder Europa: Rund um den Globus signalisieren Notenbanken weiterhin ihre Bereitschaft, billiges Geld in den Wirtschaftskreislauf zu pumpen. Vor diesem Hintergrund gewinnt die Modern Monetary Theory (MMT) wieder an Bedeutung.

Dieses Modell hat der US-Ökonom Warren Mosler schon vor 25 Jahren entwickelt. "Vertreter der MMT gehen davon aus, dass jede wirtschaftliche Krise durch Gelddrucken und gleichzeitiger Reduktion der Steuerlast gemeistert werden kann", erklärt Wolfgang Köbler, Vorstand der KSW Vermögensverwaltung aus Nürnberg. Solange die Inflation im jeweiligen Wirtschaftsraum niedrig ist, kann der Staat demnach unbegrenzt Geld schöpfen.

In Japan läuft das Modell seit Jahrzehnten
Im Prinzip betreibt Japan schon seit 20 Jahren eine solche Politik, erklärt der Vermögensprofi. Die japanische Regierung finanziert ihre Schulden durch Staatsanleihen, die nach der Neuauflage in der Regel von großen Pensionskassen und Versicherungen erworben werden. Die japanische Notenbank wiederum kauft die Anleihen auf. Dadurch steigt die Geldmenge, die im Umlauf ist und die monetäre Basis der Geschäftsbanken. "Die Amerikaner werden versuchen, dieses Modell zu kopieren", ist Köbler überzeugt. Er geht davon aus, dass die MMT im kommenden Präsidentschaftswahlkampf eine entscheidende Rolle spielen wird.

Die MMT hat allerdings einen Haken: Der Privatsektor als langfristiger Treiber einer wachsenden Volkswirtschaft findet keine Beachtung. "Langfristig muss aber jede Rechnung von irgendjemandem bezahlt werden", sagt Köbler. Bislang scheine es nur niemandem zu stören, dass die Staatsquote an der Wirtschaftsleistung zunimmt, solange der Staat ungebremst agieren kann. Für viele Politiker sei die Politik der Notenpresse mittlerweile Teil einer neuen Normalität geworden, sagt Köbler.
 
Anleger sollten dem politischen Treiben und dem Agieren der Notenbanken höchste Aufmerksamkeit beimessen. Denn die Entwicklungen werden erhebliche Auswirkungen auf die Kapitalmärkte und das eigene Vermögen haben, ist der Anlageprofi überzeugt. Die nächste globale Finanzkrise dürfte die "am besten prognostizierbare der Weltgeschichte" werden, sagt Köbler. (fp)