Der Bad Homburger Vermögensverwalter Hans-Peter Schupp warnt Anleger vor übertriebener Wachstumseuphorie. Ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von über 200, wie es zwischenzeitlich etwa die Aktie des US-amerikanischen Chipentwicklers Nvidia aufwies, sei nur mit "Fantasie, noch mehr Fantasie und noch viel mehr Fantasie" zu rechtfertigen, schreibt der Portfoliomanager in einer Marktanalyse. Investoren glaubten an ein "geradezu unendliches Wachstum".

Schupp erinnert deshalb daran, dass jedes Wachstum endlich ist. Das zeige ein Blick zurück in die Vergangenheit, als andere Innovationen die Fantasie der Anleger anregten, etwa die Post, die Bahn, das Telefon oder das Internet. "Am Ende wurden sie alle zu reinen Commodities 'degradiert'!", betont der Investor.

Von der Erfolgsgeschichte zum höchst defizitären Konzern
Näher erläutert der Fidecum-Vorstand dies am Beispiel der Bahn: In Deutschland führte die erste Strecke 1835 von Nürnberg nach Fürth. Sechs Kilometer war diese lang. "Fünf Jahre später waren es bereits 500 Bahnkilometer. Und 1850, also 15 Jahre später, waren es schon über 5700 Kilometer", so Schupp. "Wachstum ohne Ende. Eine wahre Erfolgsgeschichte." Nicht nur Personen wurden befördert, sondern auch Waren – ohne ein Flussnetz zu benötigen. Die Bahn ermöglichte es also, auch Ortschaften im Hinterland zu beliefern.

Heute dagegen sei die Bahn ein überreguliertes und zumindest in Deutschland höchst defizitäres Staatsunternehmen. "Wäre 1835 ein KGV von über 200 gerechtfertigt gewesen?", fragt Schupp. "Vielleicht. Heute reicht es nicht einmal mehr zu einem positiven KGV. Verluste lassen sich mit dieser Kennziffer halt schlecht berechnen."

Lieber Realität als Fantasie
Bei einem KGV von 250 müsse sich der Gewinn in den nächsten acht Jahren immer wieder verdoppeln, um die Bewertung zu rechtfertigen, rechnet Schupp vor. "Und das bei immer schnelleren Produktlebenszyklen. Da braucht man schon sehr viel Fantasie, um sich so etwas vorzustellen."

Ihm und seinen Kollegen von Fidecum sei die "Realität dann schon näher als die reine Fantasie", wie es Schupp formuliert. Das durchschnittliche KGV in dem von ihm verantworteten Aktienfonds Fidecum Contrarian Value Euroland liege bei 6,5. "Das sichert uns eine Rendite von gut 15 Prozent pro Jahr", so Schupp. "Ein Wohlfühlfaktor, den wir nicht missen wollen." (bm)