Die Strafzinswelle rollt, und das unaufhaltsam – immer mehr Banken übertragen das "Verwahrentgelt" von minus 0,5 Prozent für nächtliche Einlagen bei der Europäischen Zentralbank (EZB) auf ihre Kunden. Angetan sind die davon keineswegs, vor allem Ältere fühlen sich teilweise drangsaliert. Doch Ausweichmöglichkeiten gibt es kaum. Viele scheuen auch den bürokratischen Aufwand, den ein Bankwechsel mit sich brächte. Folge: Nicht wenige Sparer beißen in den sauren Apfel und investieren ihr Vermögen deshalb vermehrt in Wertpapiere und Sachwerte.

Längst haben Banken erkannt, dass sie die neuen Negativzinsen als willkommenes Vertriebsargument für weitere Angebote aus der eigenen Investmentpalette nutzen können. "Die Banken sind sehr bemüht, ihren Kundinnen und Kunden Fonds, Lebensversicherungen oder Bausparverträge als Alternative zu verkaufen", sagt Niels Nauhauser, Leiter der Abteilung Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, in einem Interview mit dem "Manager Magazin". 

Tatsächlich könnten die Geldhäuser über die Provisionen sogar noch weitaus höhere Erträge kassieren als über Verwahrentgelte. "Somit sind Strafzinsen ein Turbo für das Provisionsgeschäft vorbei am Kundenbedarf", sagt Nauhauser. Die Verwahrentgelte generell als Strafzinsen zu bezeichnen, sieht Nauhauser hingegen kritisch. Die Unterscheidung sei aus rechtlichen Gründen relevant: Wegen des Grundsatzes, dass nur Schuldner Zinsen zahlen müssen, Sparer aber Zinsen bekommen, können die Banken ihre Verträge nicht einfach so ändern. "Deshalb ist in den Formularen und Preisverzeichnissen von Verwahrentgelten die Rede", sagt Nauhauser. Auf diese Weise versuchen die Banken, einen neuen Vertragstypus zu etablieren. 

Gemischte Gefühle
Der Verbraucherschützer verweist auch auf die positiven Seiten der niedrigen Zinsen, die dazu geführt haben, dass die Banken das "Verwahrentgelt" überhaupt einführen mussten: "Die gesunkenen Zinsen sind eine riesige Entlastung für verschuldete Haushalte. Wer ein wenig Vermögen hat, zahlt wegen der Freigrenzen kaum bis gar keine Verwahrentgelte, und die Wohlhabenden profitieren auch von dem gesunkenen Zinsniveau durch gestiegene Immobilien- und Aktienpreise." Weniger erfreulich: Wer gehofft hatte, die Negativzinsen von der Steuer abzusetzen, wurde bitter enttäuscht. Das Bundesfinanzministerium entschied zuletzt, dass dies nicht möglich sei. (fp)