Dividendenaktien gelten als Alleskönner. Bei guter Börsenstimmung legen sie zu, und wenn es an den Finanzmärkten turbulenter wird oder richtig abwärts geht, bieten ihre hohen Dividendenrenditen einen Schutz gegen starke Kursverluste. "Dieser Wahrnehmung folgend sind einige Anleger auch tatsächlich bereit, über eine schlechte Kursentwicklung hinwegzusehen, wenn eine Aktie hohe Dividenden ausschüttet", erklärt Thomas Grüner, Gründer und Vize-Chef von Grüner Fisher Investments. Seiner Meinung nach ist das ein Fehler: "Aktien mit hohen Dividendenzahlungen sind auch einfach nur Aktien. Bei der eigenen Portfoliokonstruktion ist es für Anleger deshalb wichtig, Dividendenaktien keine strukturellen Vorteile zuzuschreiben, über die sie langfristig gar nicht verfügen", so Grüner.

Im letztjährigen Bärenmarkt hätten sich Dividendenaktien zwar stabiler gehalten als der breite Markt − seit dem Tiefpunkt der Märkte im vergangenen Oktober hinkten sie allerdings deutlich hinterher. Grüner sagt: "Insgesamt liegen Dividendenaktien seit den Höchstständen im Januar 2022 immer noch leicht vorne, allerdings sind wir aufgrund der Sektor- und Stilzusammensetzung des dividendenstarken Aktienuniversums skeptisch, dass diese Kategorie zum großen Gewinner des laufenden Bullenmarkts wird."

Trübe Aussichten für dividendenstarke Sektoren   
Der Grund: Dividendenaktien stammen meist aus value-orientierten Branchen, also Versorger, Banken und Versicherungen oder Basiskonsumgüterhersteller. Wenn die von Tech-Werten getriebene Aufwärtsphase weiter anhält, dürften sie eher hinterherhinken. Genau damit rechnet Grüner aber. Eine zu starke Konzentration auf Dividendenwerte lenkt Anleger laut Grüner genau in die Sektoren, die in dem von ihm erwarteten Tech-Bullenmarkt schwach abschneiden dürften.

Seine Empfehlung: Anleger sollten Dividenden nicht als den wichtigsten Faktor beim Aktienkauf betrachten. Grüner sagt: "Auf Portfolioebene ist es wichtig, auf die Gesamtrendite zu achten – Kursentwicklung plus Dividenden. Es kann durchaus Marktphasen geben, in denen es vorteilhaft ist, Schwerpunkte im dividendenstarken Value-Bereich zu setzen. Aktuell befinden wir uns jedoch wohl in einem jungen Bullenmarkt, in dem wahrscheinlich andere Prioritäten gefragt sind." (jh)