Nach ihrer enttäuschenden Wertentwicklung 2022 sind Growth-Aktien mit teils deutlichen Kurszuwächsen ins neue Jahr gestartet. Bis Mitte Januar legte der MSCI World Growth Index knapp sechs Prozent zu, für Value-Aktien ging es nur etwas mehr als vier Prozent nach oben. Nach den kräftigen Kursverlusten des vergangenen Jahres setzen erste Anleger auf das Comeback der Wachstumstitel, andere beschwören dagegen den Anbruch einer lang andauernden Value-Ära.

2022 war das Jahr der Value-Aktien
Das turbulente Börsenjahr 2022 stand ganz im Zeichen der Value-Aktien. Während sich die Verluste bei den Value-Titeln im Gesamtjahr mit durchschnittlich 6,5 Prozent in Grenzen hielten, stürzten Wachstumsaktien um 29,2 Prozent ab. Viele von ihnen verloren mehr als die Hälfte ihres Kurswerts.

Der Einbruch der Wachstumstitel im vergangenen Jahr folgte auf eine lange Phase, in der vor allem die immer weiter sinkenden Zinsen die Bewertungen der Wachstumsfirmen in neue Dimensionen katapultierten. Je niedriger die Zinsen, desto höher ist der Gegenwartswert künftiger Gewinne und Cashflows. Da die erwarteten Gewinne von Wachstumsfirmen anders als die dividendenstarker Substanzunternehmen oft weit in der Zukunft liegen und die Firmen zudem oft höher verschuldet sind, profitierten sie besonders von der Null- und Negativzinsphase. 

Investoren sehen Chancen für Comeback hochwertiger Wachstumsaktien
Die Folge: In den fünf Jahren von 2017 bis 2021 schnitt der MSCI World Growth Index mit einem Plus von 150 Prozent weit besser ab als sein Value-Pendant mit rund 58 Prozent. Doch die aggressiven Zinserhöhungen der Zentralbanken ab Anfang 2022 und die sich eintrübenden Konjunkturaussichten ließen die Kurse der Wachstumsaktien kollabieren.

Je tiefer ihre Kurse sinken, desto mehr spricht aus Sicht langfristig orientierter Anleger aber wieder für Growth-Aktien. "Wir meinen, dass der Rückenwind für Value-Aktien allmählich nachlässt. Dadurch spricht jetzt mehr für Aktien mit Growth-Merkmalen", sagt Clyde Rossouw vom Fondshaus Ninety One. Auch Tillmann Galler, Stratege bei J.P. Morgan Asset Management, erwartet, dass sich das Umfeld für Growth-Werte im Verlauf des Jahres 2023 verbessert. Christian Finke, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter Monega, sagt: "Spätestens wenn die Inflation gebrochen ist und die Fed eventuell sogar wieder über Zinssenkungen nachdenkt, könnten High-Tech-Titel wieder rasch Boden gutmachen." Tatsächlich waren die zuletzt etwas schwächeren Inflationszahlen aus den USA und Europa und damit verbundene Hoffnungen auf ein Ende der Zinserhöhungen einer der Auslöser für die jüngste Erholung der Wachstumsaktien. 

Bewertung spricht weiterhin klar für Value-Aktien
Überzeugte Value-Anleger glauben dagegen an eine Zeitenwende zugunsten von Substanzwerten. So verweist Michael Keppler von Keppler Asset Management darauf, dass selbst nach der bisherigen Korrektur die meisten Wachstumswerte etwa nach Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) noch immer zwei- bis dreimal teurer sind als Value-Aktien. Die Value-Outperformance des vergangenen Jahres hält er nur für "die Spitze des Eisbergs". Keppler sagt: "Die Chancen, dass der Trend zugunsten von Value noch sehr lange anhalten wird, sind nach wie vor ungewöhnlich günstig." 

Aufholpotenzial haben die Substanzwerte allemal: Trotz der Verluste von 2022 haben Growth-Aktien über einen Zeitraum von fünf Jahren noch deutlich besser abgeschnitten als Value-Titel. Zudem ist die Unsicherheit hinsichtlich Inflation, Zinsen und Wirtschaftswachstum hoch. Auch wenn die Wachstumswerte gut ins Jahr gestartet sind, bleibt es also spannend. (jh)