War es für Aktienanleger historisch von Bedeutung, wer im Kanzleramt das Sagen hatte? "Nein", stellte jüngst eine Auswertung der Sutor Bank fest. Auch Christian Funke, Vorstand der Source For Alpha, ist dieser Frage nachgegangen – und zu anderen Ergebnissen gekommen. Er hat untersucht, wie sich der Markt insgesamt in den verschiedenen Regierungsphasen der letzten 50 Jahre verhalten hat. Um den "Kanzlereffekt" näher herauszuarbeiten, analysierte er abschließend noch die direkte Reaktion des Marktes auf unterschiedliche Wahlergebnisse. 

Zunächst wird die Aktienmarktrendite in Abhängigkeit von der Regierungspartei analysiert. Es ist eine weit verbreitete Vermutung, dass konservative Regierungen als Liebling der Aktienmärkte gelten. Viele Marktakteure befürchten, dass die Sozialdemokraten eine Tendenz zu höheren Sozialausgaben und mehr Bürokratie haben. Die CDU/CSU hingegen gilt für viele Marktteilnehmer als wirtschaftsliberaler und unternehmensfreundlicher. 

Die nachfolgende Grafik zeigt die durchschnittlichen Renditen in der Amtsperiode des jeweiligen Kanzlers (p.a.), basierend auf der Indexentwicklung des Dax in der Periode von September 1969 bis August 2017.

Quelle: Thomson Reuters Datastream/ S4A-Berechnungen.

Vermutung bestätigt 
Eine nähere Betrachtung der Kapitalmarktrenditen in den jeweiligen Amtsperioden bestätigt dieses Klischee: Die SPD-geführten Regierungen unter Willy Brandt und Helmut Schmidt fielen in eine sehr schwache Börsenphase. "Mit Ausnahme der letzten Regierungszeit von Helmut Schmidt hat der Dax durchgehend negative durchschnittliche Renditen erwirtschaftet", stellt Funke fest.

In der knapp 16 Jahre währenden Ära von Helmut Kohl konnte der Dax im Schnitt um mehr als zehn Prozent pro Jahr zulegen. Nur in seiner zweiten Amtsperiode von 1987 bis 1990 konnte der deutsche Leitindex keine zweistellige Rendite pro Jahr aufweisen. "Dies verhinderte schon der weltweite Börsencrash im Oktober 1987, welcher den Dax in wenigen Tagen mehr als 20 Prozentpunkte nach unten trieb", erläutert Funke.

Amtsperiode von Gerhardt Schröder war stark zweigeteilt
Seinem SPD-Nachfolger im Kanzleramt ging es zunächst nicht besser: In der ersten Amtszeit von Gerhard Schröder verlor der Dax im Schnitt fast zehn Prozentpunkte pro Jahr. Auch hierfür liefert Funke eine plausible Erklärung: "Einen Großteil machte hierbei das Platzen der Technologieblase zur Jahrtausendwende aus."

In der zweiten Amtszeit Schröder konnte der deutsche Leitindex hingegen im Durchschnitt zweistellig pro Jahr zulegen. Pikant hierbei: Ein großer Teil der Rendite erfolgte im Sommer 2005 im Nachgang an die verlorene Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen und der damit verbundenen überraschenden Ankündigung von vorgezogenen Neuwahlen. "Es könnte sein, dass der Markt v.a. von der Hoffnung auf einen etwaigen Regierungswechsel nach oben getrieben wurde", mutmaßt Funke.

Merkel macht´s
In der Ära von Angela Merkel konnte der Dax bislang in jeder Amtsperiode eine positive Rendite erzielen – selbst in der Zeit der ersten großen Koalition, welche von den Auswirkungen der großen Finanzkrise überschattet wurde. In der Regierungszeit von Schwarz/Gelb in den Jahren 2009 bis 2013 konnte der Dax laut Funkes Kalkulationen sogar zweistellige Renditen pro Jahr aufweisen.

Die folgende Grafik zeigt die durchschnittlichen annualisierten Renditen getrennt nach Jahren einer "roten" und "schwarzen" Kanzlerschaft auf Basis des Dax von September 1969 bis August 2017.

Quelle: Thomson Reuters Datastream / S4A-Berechnungen.

Insgesamt zeigt sich, dass die Marktentwicklung bei CDU/CSU-geführten Regierungen deutlich positiver war als bei einer SPD-geführten Regierung. In Zeiten einer CDU/CSU-geführten Regierung konnte der Dax im Durchschnitt 11,3 Prozent pro Jahr zulegen. Unter einem sozialdemokratischen Kanzler betrug der durchschnittliche Zuwachs pro Jahr lediglich 1,7 Prozent.

Wahlergebnis und unmittelbare Marktreaktion 
Bedeutet dieses Ergebnis, dass die Sozialdemokraten weniger wirtschaftsfreundlich sind, oder könnten andere Gründe für die im Durchschnitt schwache Marktperformance unter SPD-Kanzlern ausschlaggebend sein? "Gerade auf lange Betrachtungsräume ist es sehr schwierig abschließende Aussagen bezüglich dieser Kausalität zu geben", räumt Funke ein.

Exemplarisch könne hierfür die schwache Marktphase in den 70er Jahren herangezogen werden. Kritiker der Politik von Willy Brandt und Helmut Schmidt mögen betonen, dass der arbeitnehmerfreundliche Kurs der sozialdemokratisch geführten Regierungen der Wirtschaft zu sehr geschadet hätte. "Andererseits kann jedoch auch argumentiert werden, dass die 70er im Zuge der weltweiten Ölkrise generell ein schwieriges Jahrzehnt waren", gibt Funke zu bedenken. 

Kanzlereffekt am Seziertisch
Um den Kanzlereffekt näher herauszuarbeiten sei es daher sinnvoll, zu analysieren, wie der Markt direkt auf die Wahl reagiert. Die folgende Grafik zeigt, wie sich der Dax in den zehn Handelstagen direkt nach einer Bundestagswahl entwickelt hat. Die rote Linie zeigt den Kursverlauf nach einem SPD Wahlsieg, während die schwarze Linie die durchschnittliche Entwicklung nach einem CDU/CSU Wahlsieg darstellt.

Die Ergebnisse bestätigen die Resultate des vorangegangenen Abschnittes. In den ersten zehn Handelstagen nach der Wahl eines CDU/CSU-Kanzlers weisen die Märkte im Schnitt eine leicht positive kumulierte Rendite von 0,2 Prozent auf, während bei einem SPD-Wahlsieg der Dax im Schnitt in den ersten zehn Handelstagen mehr als 4,5 Prozentpunkte verlor. 

Quelle: Thomson Reuters Datastream / eigene Berechnungen

Dieses Ergebnis müsse nicht zwangsläufig bedeuten, dass sozialdemokratische Kanzler eine schlechtere Wirtschaftspolitik machten. "Es könnte auch daran liegen, dass in Krisenzeiten zufällig häufiger Sozialdemokraten an der Macht waren", so Funke. Direkt nach der Wahl von SPD-Kanzlern reagiert allerdings der Dax im Durchschnitt bereits sehr negativ. "Dies zeigt, dass die Marktteilnehmer möglicherweise negative Auswirkungen einer sozialdemokratischen Regierungspolitik erwarten", fasst Funke abschließend zusammen. (kb)