Die Ermahnung kam von allerhöchster Stelle: Im April 2016 forderte Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), die deutschen Sparer dazu  auf, ihr Anlageverhalten schleunigst zu ändern. Angesichts der extrem niedrigen Zinsen hätten sie es schlussendlich selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfielen, sagte der EZB-Obere in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung. Den deutlichen Worten vorangegangen waren Wochen voller Seitenhiebe deutscher Bankenvertreter, wonach Draghis dauerhafte Niedrigzinspolitik gerade die sparbuchverliebten Deutschen um ihr mühsam angesammeltes Vermögen brächte.


Weshalb der typische deutsche Sparer seine Finanzen und damit seine Zukunftsvorsorge aufs Spiel setzt und wie die Zinsfalle langfristig wirkt, zeigt unsere Chartgalerie oben!


Dass die Bundesbürger wegen ihrer ausgeprägten Risikoscheu in der Zinsfalle sitzen und kostbare Renditepunkte vergeuden, spricht sich herum und wird – spätestens, seit eine große deutsche Fondsgesellschaft mit der "Bösen Null" auf das Problem im Allgemeinen und ihre Produkte im Besonderen hinweist – auch vom typischen "Armsparer" wahrgenommen. Viel Zeit zum Umdenken bleibt ihm nicht: Vor kurzem rechnete eine Studie der Comdirect Bank vor, dass die zinsversessenen Deutschen bis zum Jahr 2037 drauf und dran sind, mehr als 550 Milliarden Euro zu verschenken – macht 14.000 Euro pro Haushalt! In die gleiche Kerbe haut nun auch eine Ausarbeitung der DZ Bank – allerdings mit noch furchteinflößenderen Zahlen.

Zinswende abgeblasen
Dabei nehmen die DZ-Bank-Experten Sparern gleich zu Beginn jede Hoffnung auf eine baldige Zinswende, die den Namen verdient. "Die Niedrigzinsphase wird uns noch eine Weile begleiten", stellt DZ-Bank-Ökonom Michael Stappel unmissverständlich fest.

Selbst wenn die EZB ihren Spielraum im weiteren Verlauf des Jahres nutzen würde, könne deshalb noch kein Ende des Niedrigzinsniveaus erwartet werden. "Dadurch haben sich Risiken für Banken sowie auf den Aktien- und Immobilienmärkten angestaut, die bei einem schnellen, kräftigen Zinsanstieg unkontrolliert auszubrechen drohen. Allein aus diesem Grund wird sich die Zentralbank – unabhängig vom Zeitpunkt – um eine sanfte Zinswende bemühen", ist Stappel gewiss.

Vorsorge unter Dauerbeschuss
Die finanziellen Auswirkungen der niedrigen Zinsen auf die privaten Haushalte sind vielfältig und massiv. Während Anlegern die Zinseinkünfte wegbrechen, profitieren Bürger, die sich für den Erwerb einer Immobilie verschulden, von niedrigen Kreditzinsen. Je länger das spärliche Zinsniveau fortbesteht, desto stärker ist die private Altersvorsorge bedroht. Laut Stappels Kalkulation haben sich die Einkommenseinbußen der privaten Haushalte im Vergleich zum "Normalzinsniveau“ in den letzten sieben Jahren auf fast 344 Milliarden Euro summiert.

Es kommt noch schlimmer: Bei einer wieder anziehender Inflation, wie sie sich für 2017 abzeichnet, wirken die realen Verluste umso schwerer. "Auch wenn der kräftige Preisauftrieb zu Jahresbeginn hauptsächlich auf Ölpreiseffekte zurückzuführen ist, die sich in der zweiten Jahreshälfte wieder abschwächen, dürfte die Inflation im laufenden Jahr insgesamt spürbar höher ausfallen als in den letzten Jahren. Vor allem dürfte sie das anhaltend niedrige Nominalzinsniveau übersteigen und für negative Realzinsen sorgen", erklärt Stappel. (ps)