Jedes Jahr im Herbst steht in Indien die Hochzeitssaison bevor, in deren Verlauf Unmengen an Gold verschenkt werden. Dann mehren sich regelmäßig die Empfehlungen, das Edelmetall zu erwerben. Käufer sollen so von einem schnellen Anstieg des Goldpreises profitieren. Doch so einfach ist die Sache nicht, erläutert Önder Çiftçi, Gründer und Geschäftsführer des Frankfurter Edelmetallhändlers Ophirum, in einem aktuellen Marktkommentar.

"Rückblickend weist Gold im vierten Quartal tatsächlich häufig einen Preisanstieg auf", schreibt Çiftçi. Doch wer glaubt, diese Entwicklung sei allein der indischen Hochzeitssaison geschuldet, liege falsch. "Gegen einen speziellen Einfluss der Hochzeitssaison spricht etwa, dass die Inder auch zu Feiertagen wie dem Lichterfest Diwali im November oder bei anderen Familienfeiern gerne Gold verschenken", so Çiftçi.

Nicht erst kurz vor der Vermählung
Außerdem tätigten indische Familien die Goldschmuckkäufe für die Hochzeit ihrer Kinder oft über viele Jahre. "Die Goldschmiede wiederum kaufen das Gold für die Herstellung ihrer filigranen Armreifen oder Goldringe auch nicht erst zu Beginn der Hochzeitssaison, sondern deutlich früher", erklärt Çiftçi.

Darüber hinaus spielen – und das ist weitaus entscheidender – zahlreiche weitere Faktoren eine bedeutende Rolle für die Entwicklung des Goldpreises. So treten schon seit Jahren die Notenbanken von Russland und China als große Goldkäufer auf und können den Preis bewegen. Dieser hängt zudem maßgeblich vom Wechselkurs des US-Dollar ab. Schließlich wird das Edelmetall rund um den Globus fast ausschließlich in Dollar gehandelt. Auch die Zinsen für Investmentalternativen, die Entwicklung der Förderkosten sowie die Inflation haben Auswirkungen auf den Goldmarkt. 

Mit zeitlichem Abstand
Wie sich die Goldschmuckverkäufe in Indien entwickeln, erfahren Investoren zudem immer erst mit zeitlichem Abstand. In der Regel erst dann, wenn der World Gold Council, der Branchenverband der Goldindustrie, Zahlen dazu veröffentlicht. "Der Goldpreis kann daher gar nicht unmittelbar auf die Nachfrageentwicklung während der indischen Hochzeitssaison reagieren", konstatiert Çiftçi. Anleger sollten dieser daher nicht zu viel Bedeutung beimessen und sich schon gar nicht auf einen turnusmäßigen Anstieg des Goldpreises verlassen. (am)