Es ist wohl der Traum eines jeden Vertrieblers: Der Wettbewerber nimmt ein etabliertes Konkurrenzprodukt vom Markt – und das ohne wirklich ersichtlichen triftigen Grund. Genau das passiert gerade in der Asset-Management-Welt. Der Schweizer Vermögensverwalter GAM lädt die Anbieter anderer Absolute-Return-Bond-Fonds geradezu ein, ihm seine Kunden abzuwerben.

Wie konnte das passieren? Von vorne: GAM teilte Ende Juli mit, Portfoliomanager Tim Haywood zu beurlauben. Kurz darauf fror der Anbieter ein rundes Dutzend Fonds ein, die von Haywood verantwortet wurden, weil zu viele Investoren ihr Geld abziehen wollten. Und nun kündigt der Anbieter die Liquidation der milliardenschweren Portfolios an. Viele Anleger und Branchenbeobachter reiben sich immer noch verwundert die Augen: Von der heilen Welt zur Fondsauflösung dauerte es keine zwei Wochen.

Gut für die Anleger, schlecht für die Aktionäre
Der Schritt mag rabiat erscheinen, ist aber durchaus im Sinne der Anleger. Denn hätte GAM alle Rückgabewünsche erfüllt, hätten die Fonds sehr schnell sehr viele Wertpapiere auf den Markt werfen müssen – und das hätte deren Kurs so unter Druck gebracht, dass auch die treuen Investoren bestraft worden wären. Außerdem hätte GAM zunächst nur die liquiden Papiere veräußern können. Übrig geblieben wären die komplexeren Instrumente, die in zu hoher Gewichtung womöglich eine Unwucht ins das Restportfolio gebracht hätten. Nun kann GAM versuchen, die Fonds in Ruhe und mit Bedacht abzuwickeln – und damit jeden Anleger gleich zu behandeln.

Die GAM-Aktionäre dagegen müssen eine bittere Pille schlucken: Die Aktie des Vermögensverwalters stürzte im Zuge der Haywood-Affäre geradezu ab, inzwischen ist sie nur noch halb so viel wert wie zu Jahresbeginn. Die Aktionäre ahnen wohl, dass sich nun die Wettbewerber über die verunsicherten Kunden hermachen werden.

Vor zehn Jahren hätte man über die Verfehlungen noch gelächelt
Vielleicht war GAM in Sachen Krisenmanagement einfach nur zu konsequent. Denn warum wurde Haywood eigentlich suspendiert? Er soll gegen interne Dokumentationspflichten verstoßen haben. Er hat womöglich die Unterschriftspolitik des eigenen Hauses missachtet und offensichtlich Vergünstigungen angenommen, für die er eine Genehmigung seiner Chefs hätte einholen müssen. Außerdem hat er wohl geschäftliche E-Mails von seinem privaten Account aus verschickt.

Klar, Verstöße gegen die firmeneigenen Regeln gehören bestraft, gerade in einer Branche, die auf das Vertrauen ihrer Kunden angewiesen ist. Aber rechtfertigt das die Suspendierung eines der wichtigsten Manager des Hauses – vor allem angesichts des nun offensichtlich gewordenen Kollateralschadens? Schließlich betonte GAM immer wieder, dass Haywood keine Kunden geschädigt hat. Nach allem, was bekannt ist, hat Haywood weder in die Kasse gegriffen noch goldene Löffel geklaut. Er hat lediglich die internen Compliance-Regeln nicht ernst genug genommen. Oder anders formuliert: Er hat Dinge getan, über die vor zehn Jahren noch gelächelt worden wäre.

Es gibt nur einen Gewinner: die Konkurrenz
Interessant ist auch die Frage, warum so viele Anleger gleich ihr Geld abziehen wollten, als GAM Haywoods Suspendierung publik gemacht hat. Schließlich beschäftigt der Schweizer Vermögensverwalter auch andere gute Portfoliomanager, die die Fonds sicherlich erfolgreich hätten weiterführen können. Aber das ist nicht der Punkt. Viele professionelle Investoren haben schlicht die interne Vorgabe, ein Investment sofort zu veräußern, sollten Probleme mit der "Governance" auftauchen. Sie waren quasi gezwungen, ihre Anteile auf Verkauf zu stellen.

Bei GAM hat sich der Compliance-Wahnsinn offensichtlich mit sich selbst multipliziert. Da gibt es nur einen Gewinner: die Konkurrenz.