Das Urteil der Börse fiel eindeutig aus: Am Donnerstag verlor die DWS-Aktie fast 14 Prozent an Wert. Das Minus war so groß, dass sogar die Titel der Muttergesellschaft Deutsche Bank spürbar in Mitleidenschaft gezogen wurden. Auslöser war ein Bericht des "Wall Street Journals", demzufolge die US-Börsenaufsicht SEC und die amerikanische Bundesstaatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den Vermögensverwalter aufgenommen haben. Auch die deutsche Finanzaufsicht Bafin soll Untersuchungen eingeleitet haben.

Im Kern soll es um die Vorwürfe gehen, die Desiree Fixler, die ehemalige Nachhaltigkeitschefin der DWS, gegen ihren früheren Arbeitgeber erhebt. Demnach hat sich der Asset Manager grüner dargestellt, als er es wirklich war. Mit der Integration von Nachhaltigkeitskriterien sei es lange nicht so weit her gewesen, wie es nach außen dargestellt worden sei, so Fixlers Behauptung. Die DWS wehrt sich entschieden gegen die Anschuldigungen.

Ohne die Details der Ermittlungen, die noch im Anfangsstadium stecken sollen, zu kennen, dürfen zwei Schlüsse als realistisch gelten: Juristisch hat die DWS wohl wenig zu befürchten. Gefährlich ist die Diskussion für den Anbieter aber dennoch – aus Gründen der Reputation. Und genau das sollte der gesamten Branche eine Lehre sein.

Lässt sich Greenwashing juristisch schon fassen? Wohl kaum
Ganz unabhängig davon, ob Fixlers Vorwürfe gerechtfertigt sind: Die Frage, welches Investment und welcher Anlageprozess als nachhaltig gelten darf, ist immer noch größtenteils Ansichtssache und durch die verschiedenen, bislang nicht harmonisierten EU-Regulierungsprojekte (Taxonomie, Offenlegungsverordnung, Mifid II) nicht eindeutig und kaum juristisch zu klären. Das mag eines Tages, wenn die Europäische Union ihre Taxonomie vollendet hat, zumindest in Teilen anders sein: Wer dann behauptet, taxonomiekonform zu investieren, dies aber nicht tut, kann dafür belangt werden. Aber soweit ist der Gesetzgeber noch nicht. Eines der wenigen in diesem Zusammenhang relevanten Regelwerke, die bereits in Kraft sind, ist die Offenlegungsverordnung. Doch diese legt den Fondsanbietern nur Transparenzstandards auf und macht keine qualitativen Vorgaben, was als nachhaltig gelten darf. Selbst die Frage, welche konkreten Produkte ein Anlageberater ab August 2022 seinen Kunden empfehlen darf, nachdem er ihre Nachhaltigkeitspräferenzen erhoben hat, ist noch offen.

Ein anderer juristischer Hebel, den eine Aufsichtsbehörde heute schon ansetzen könnte, verbirgt sich in den Anlagerichtlinien: Wenn ein Fonds nicht tut, was er seinen Investoren im Verkaufsprospekt versprochen hat, gerät der Anbieter schnell unter Rechtfertigungsdruck. Doch die Hausjuristen und das Risikomanagement der DWS dürfen als so professionell gelten, dass ein Verstoß gegen die Anlagebedingungen unrealistisch erscheint. Zumal bei der DWS ja offensichtlich nicht die Investments konkreter Fonds hinterfragt werden, sondern es um den Ausweis des insgesamt nach ESG-Kriterien gemanagten Vermögens geht. Es dürfte selbst einer versierten Aufsichtsbehörde schwerfallen, an dieser Stelle juristisch wasserfest eine Falschinformation nachzuweisen.

Ein Warnschuss für die Branche
Kann man für die DWS also Entwarnung geben? Nein, denn das wahre Risiko lauert woanders: Eine gute Reputation ist mühsam aufgebaut, aber schnell zerstört. Wenn sich institutionelle Investoren und Privatanleger von der DWS abwenden, weil sie sich getäuscht sehen – nicht juristisch, sondern moralisch –, kommt das den Vermögensverwalter deutlich teurer zu stehen als die Rechtsberatung, die der Konzern nun vielleicht in Anspruch nehmen muss.

Dass sich ausgerechnet die DWS dem "Greenwashing"-Verdacht ausgesetzt sieht, darf übrigens mehr oder weniger als Zufall gelten. In aller Regel wird eine Auseinandersetzung, wie sie Desiree Fixler und die DWS führen, vor den Arbeitsgerichten ausgetragen, nicht in der Öffentlichkeit. Ja, die DWS hat die drei Buchstaben ESG mit sehr breiter Brust vor sich hergetragen, was bei manchen Pionieren der ethisch-ökologischen Geldanlage für Augenrollen sorgte. Aber: Es gibt in der Branche viele Asset Manager, deren ESG-Prozesse noch lange nicht so ausgereift sind wie die der DWS. Sie sollten aus dem Shitstorm, den die Deutsche-Bank-Tochter nun aushalten muss, ihre Schlüsse ziehen – und ihre Kommunikation in Sachen Nachhaltigkeit vielleicht ein wenig dimmen. Denn wer Kritikern die Möglichkeit bietet, die eigene ESG-Kompetenz in Zweifel zu ziehen, geht mittlerweile ein enormes wirtschaftliches Risiko ein. Dessen Höhe lässt sich im Fall der DWS sogar beziffern: Ihr Börsenwert schrumpfte am Donnerstag um rund eine Milliarde Euro.