Wenn Brüssel über neuen Regulierungsvorhaben brütet, schwant der Finanzlobby meist nichts Gutes. Beim jüngsten EU-Vorstoß darf die Branche wohl recht entspannt bleiben – vielleicht auch deshalb, weil dieser nicht aus Brüssel, sondern aus Paris kommt, wo die Europäische Wertpapier- und Marktaufsicht ESMA ihren Sitz hat.

Deren Chefin Verena Ross stellte vor wenigen Tagen ihre Ideen vor, wie sich die Bürger der EU-Mitgliedsstaaten dazu bringen ließen, stärker an den Kapitalmärkten zu investieren. Unter anderem schlägt die Behörde ein EU-Label für einfach strukturierte Investmentprodukte vor. Für solche Produkte, darunter Fonds, soll auch der Vertrieb erleichtert werden. Dazu könnte zum Beispiel ein entschlackter Beratungsprozess gehören.

Den "Einer für alle"-Fonds gibt es nicht
Solche Aussagen klingen wie Musik in den Ohren vieler Anlageberater, die sich bei ihren Kunden in den vergangenen Jahren für immer neue und kompliziertere Formalitäten rechtfertigen mussten. Wäre es tatsächlich möglich, sich den Großteil des Beratungsgesprächs inhaltlich mit dem Kunden und seinen Wünschen auseinanderzusetzen, statt stur über Kosten aufzuklären, Zielmarkt-Häkchen zu setzen oder sich in Drop-Down-Menüs zur Nachhaltigkeitspräferenzabfrage zu verlieren?

Möglich ist das, realistisch aber leider nicht. Das fängt schon bei der Definition an, welche Investmentprodukte überhaupt für einen vereinfachten Vertrieb in Frage kämen. Denn Hand aufs Herz: Welches Finanzinstrument könnten Sie guten Gewissens wirklich jedem Interessenten empfehlen, ohne mehr über dessen finanziellen Hintergrund, seine Wünsche und seine Risikotoleranz zu wissen? Den "Einer für alle"-Fonds gibt es bekanntlich nicht.

Der Versuch, Hürden aus dem Weg zu räumen, um mehr Menschen an den Kapitalmarkt zu bringen, ist dennoch zu begrüßen. Die Finanzlobby sollte den Vorschlag aus Paris daher mit Kräften unterstützen. Vielleicht können die dort gesammelten Argumente auch helfen, wenn Brüssel das nächste Mal über neuen Regulierungsvorhaben brütet.