Die Finanzlobby hat – wieder einmal – gesiegt: Die Brüsseler Kommissarin Mairead McGuinness rückt von ihrer Idee ab, im Zuge der "EU-Strategie für Kleinanleger" ein Provisionsverbot in der Anlageberatung durchzusetzen (FONDS professionell ONLINE berichtete). Dem Gegenwind, der ihr in Form von Studien, offenen Briefen und Stellungnahmen branchennaher Politiker entgegenblies, hielt sie nicht stand.

Die Diskussion hatte zum Teil bizarre Züge angenommen: Das drohende Provisionsverbot wurde nicht nur für die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten verantwortlich gemacht, der Argumentation einiger Lobbyisten zufolge hätte es auch die Finanzierung des "Green Deal" gefährdet. Ganz so, als würde Kommissarin McGuinness, die doch eigentlich nur die Privatanleger schützen wollte, den Klimakollaps befeuern.

Bei nüchterner Betrachtung gibt es gute Argumente pro und contra Provisionsverbot. Doch die Debatte war zuletzt so vergiftet, dass ein seriöses Abwägen nicht mehr möglich war. Bleibt zu hoffen, dass die Diskussion das nächste Mal sachlicher verläuft. Denn klar ist, dass die EU-Kommission jetzt zwar darauf verzichtet, ihre Position durchzufechten, das Thema aber auf der Agenda behalten wird – auch das machte McGuinness deutlich.

Wer sich nicht auf ein Provisionsverbot einstellt, handelt fahrlässig
Das hat Folgen, sowohl für den Finanzvertrieb als auch für die Fondsbranche. Beide sollten sich auf eine Welt ohne Zuwendungen einstellen. Allen, die Anlageprodukte vermitteln – seien es Banken, Strukturvertriebe oder freie Berater –, muss klar sein, dass ein Provisionsverbot ein realistisches Szenario ist. Wer sich darauf nicht vorbereitet, handelt fahrlässig. Es geht dabei nicht darum, für oder gegen die provisionsbasierte Beratung zu sein, sondern schlicht darum, sein Geschäftsmodell zukunftssicher aufzustellen.

Die Fondsanbieter wiederum müssen realisieren, dass sich die Zeit, in der sie ihren Absatz zumindest teilweise über die Höhe der Provision steuern konnten, dem Ende zuneigt. Sie sollten ihre Energie mehr denn je auf die Qualität ihrer Produkte und ihrer Services richten, sonst verlieren sie ihre Kunden. Insofern hat die Branche nur eine Atempause bekommen. Brüssel gibt ihr mehr Zeit, sich von alten Geschäftsmodellen zu verabschieden. Diese Zeit sollte sie nutzen.