Der Vormarsch der ETFs scheint nicht zu stoppen. Weltweit sind im vergangenen Jahr 379,5 Milliarden US-Dollar in Indexfonds geflossen, insgesamt verwalten die Produkte mittlerweile
3,5 Billionen Dollar. Der ETF-Boom geht zumindest teilweise zu Lasten aktiv verwalteter Fonds. Diese verzeichneten im vergangenen Jahr bis November Abflüsse in Höhe von 207 Milliarden Dollar.

Betroffen waren aber längst nicht alle aktiven Portfolios, betont Fondsprofi Bert Flossbach – sondern vor allem pseudoaktive Produkte, wie er sie nennt. Also Fonds, die zwar Aktivität behaupten, die sich de facto aber sehr eng an ihre Benchmark klammern und dabei wegen höherer Kosten zwangsläufig schlechter abschneiden als ETFs.

"Indexfonds machen vor allem reinen Aktien- und Rentenfondsmanagern Konkurrenz, die einen konkreten, natürlichen Vergleichsindex nutzen und sich hinter ihm verstecken", meint der Chef der Investmentboutique Flossbach von Storch. Weil diese pseudoaktiven Fonds wegen ihrer Indexnähe ohne potenziellen Mehrwert sind, aber höhere Kosten haben, dürften sie in den kommenden Jahren zunehmend von traditionellen Indexfonds und ETFs verdrängt werden, prophezeit er. Für Asset Manager, die sich nicht an einem Index orientieren, sondern eine absolute Rendite anstreben, ist die Bedrohung durch ETFs indes längst nicht so groß – und im Grunde sogar wünschenswert.

"Industrie 4.0" klopft in der Investmentbranche an
Nüchtern betrachtet seien ETFs nur Teil eines Prozesses, der in der verarbeitenden Industrie mit dem Label "Industrie 4.0" versehen wird und der vor der Investment- und Finanzbranche nicht Halt mache. "Damit erreicht die digitale Disruption die Büros. Bei Versicherungen und Banken lassen sich viele Arbeitsprozesse automatisieren", sagt Flossbach.  

ETFs verdeutlichten, dass auch die Finanzindustrie von starken Umwälzungen betroffen sein wird. "Die erforderlichen Zutaten sind schnelles Internet, leistungsfähige Computer, künstliche Intelligenz, zunehmende Regulierung und vor allem kostengünstige Anlagebausteine in Form von ETFs", fasst Flossbach zusammen.

Keine Zeit zum Zurücklehnen
Auch aktive Manager können sich deshalb nicht entspannt zurücklehnen, warnt Flossbach. "Sie müssen langfristig Mehrwert generieren, um ihr Dasein zu rechtfertigen." Sie sollten für ihre Kunden eine geeignete Anlagestrategie finden, diese umsetzen – und vor allem Vertrauen aufbauen. "Dazu bedarf es eines nachvollziehbaren Weltbilds und eines Anlageprozesses, der auf einer sorgfältigen Abwägung von Chance und Risiko basiert, und keiner Black Box", sagt der Fondsmanager. Sein Credo: "Nur mit dem entsprechenden Vertrauen können Anleger die nötige Geduld aufbringen, um langfristig Rendite zu ernten."

Mit dem Daumen am Abzug
Genau damit aber hapert es bei den "Index-Imitatoren" gewaltig. So scheinen ETF-Anleger nach Flossbachs Beobachtung den Verlockungen "sekündlicher Liquidität“ nicht widerstehen zu können. "Passives Investieren wird durch ETFs also aktiviert", schlussfolgert er.

Gerade in turbulenten Zeiten, in denen es darauf ankomme, Ruhe zu bewahren und besonnen zu handeln, liefen ETF-Investoren Gefahr, überstürzt zu reagieren und alles über Bord zu werfen. "Die oft gepriesene hohe Liquidität von ETFs ist eher schädlich, weil sie zu reger Aktivität verleitet. Deshalb wären Indexfonds mit monatlicher oder gar nur jährlicher Rückgabemöglichkeit ein Segen für die meisten Anleger, der bei den Banken aber zu hohen Kommissionseinbußen führen würde", merkt Flossbach scharf an.

Bange machen gilt für ihn grundsätzlich nicht. Ebenso wie autonomes Fahren sei auch passives Investieren nicht für jedes Terrain geeignet. "Die Mehrheit der Anleger will Geld verdienen und keinen Index übertreffen. Hierzu gibt es aber keinen passenden Index und damit auch kein passives Investieren", so Flossbachs Fazit. (fp/ps)