Theorie und Praxis sind nicht immer deckungsgleich. Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentrale (VBZ) Hessen hat kürzlich ergeben, dass Crowdinvesting inzwischen zwar "recht bekannt" sei, aber "bislang wenig genutzt" werde. Außerdem seien die über 40-Jährigen skeptischer und nicht so investitionsfreudig wie die Jüngeren.

In der Realität sind es aber genau die älteren Investoren, die für das starke Wachstum der Crowdinvesting-Branche sorgen. Und sie investieren ein Vielfaches der Mindestbeteiligung, die in den meisten Fällen nur bei 100 bis 250 Euro liegt.

Das Crowdinvesting wird erwachsen
Die Finanzen-Marktwächter der VBZ betonen in ihrer Aussendung, dass nur zwei Fünftel der Befragten die Risiken der digitalen Anlageform kennen würden, und schieben die Crowdinvestments kategorisch und undifferenziert in den "Grauen Kapitalmarkt". Die Verbraucherschützer machen das daran fest, dass die Schwarmfinanzierungen zurzeit noch vorwiegend über Nachrangdarlehen und partiarische Darlehen erfolgen. Unter der Voraussetzung, dass diese Anlagevehikel sauber eingesetzt werden, sind sie aber für den Anleger nicht gefährlicher als andere.

Außerdem befindet sich die junge Crowdfunding-Branche bereits im Wandel. Insbesondere die Marktführer und der Verband arbeiten an einer Professionalisierung der Strukturen und Prozesse. Das war ein zentrales Thema auf der Fachtagung "Sachwerte digital", die der Welther Verlag vor kurzem in Frankfurt veranstaltet hat.

Die Crowdinvesting-Plattformen wissen, dass sie unter besonderer Beobachtung der Öffentlichkeit und der Politik stehen, und dass seriöse externe Vertriebspartner professionelles Arbeiten erwarten. Das ist ein wichtiges Thema für das Wachstum der Crowdfunding-Szene.

Brücken zwischen Plattformen und Finanzintermediären entstehen
Denn eine aktuelle Umfrage von FONDS professionell hat ergeben, dass sich die Plattformen in jüngerer Vergangenheit geöffnet haben. Früher wollten die meisten nicht mit externen Vertriebspartnern kooperieren. Ein Affiliate-Partnerprogramm war das höchste der Gefühle. Jetzt suchen viele Plattformen ganz gezielt die Zusammenarbeit beispielsweise mit Maklerpools, Vermögensberatern und Family Offices. Darüber wird die FONDS professionell-Ausgabe 4/2017, die Ende November erscheint, ausführlich berichten.

Die Plattformen und ihre Vertriebspartner stehen vor mehreren Herausforderungen, einerseits regulatorisch durch Mifid II und die Priip-Verordnung, andererseits durch den Druck von Anlegern und Vermittlern, dass die Investments transparent und plausibel sein müssen. Deshalb gingen zwei Workshops auf dem Symposium "Sachwerte digital" der Frage nach, woran man die Plausibilität eines Immobilien- und Start-up-Invesments festmachen kann. Das Ergebnis der Diskussionen ist völlig klar: Online gelten dieselben Regeln wie offline. Die Produkte müssen Qualitätsansprüche an den Emittenten, sein Konzept und seine Partner erfüllen, kalkulatorisch nachvollziehbar und darüber hinaus transparent sein.

Informationsverhalten ist ein wunder Punkt
Nachholbedarf gibt es in der Kommunikationspolitik. Hier ist noch die Ansicht weit verbreitet, dass sich die Kommunikation auf die Vermarktung des Investments beschränken kann. Dass Vertriebe und Journalisten nach Details fragen und sich nicht mit den ohnehin im Internet veröffentlichten Informationen zufrieden geben, ist für viele Plattformen eine Herausforderung.

Das gilt vor allem in Fällen, in denen ein Investment in Schieflage geraten ist. Die Puristen der Crowdszene meinen, dass dies nur die Emittentin und die Anleger etwas angeht. Die fortschrittlichen Gestalter der Zukunft wissen aber, dass die transparente Kommunikation des Trackrecords, also von Erfolg und Misserfolg, unerlässlich ist, wenn das Crowdinvestment von Anlegern, Finanzintermediären und Politik ernst genommen werden soll. (fp)