Europas gebeutelte Banken vergrößern ihre Kapitallücken noch, indem sie allzu großzügig Dividenden ausschütten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie dreier Wissenschaftler aus Deutschland, der Schweiz und den USA. Die Forscher haben die Summen, die Europas Großbanken seit 2010 an Anteilseigner ausschütteten, mit den erwarteten Kapitallücken verglichen. Ergebnis: Hätte man auf Dividenden komplett verzichtet, wäre bereits die Hälfte der Löcher gestopft.

Europas Bankenaufsicht hatte jüngst in einem weiteren Stresstest simuliert, wie die Großbanken des Kontinents Krisenszenarien überstehen. Alle Institute haben den Test überstanden. Doch das Entwarnungssignal kam nicht an den Börsen an. Im Gegenteil: Der Kursrutsch der Finanztitel seit Jahresbeginn hat sich noch verschärft.

Geld verschenkt statt Kapitalpuffer aufgebaut
Möglicherweise zu Recht, wie die Studie der drei Banken-Forscher zeigt. Denn ausgerechnet jene zehn Banken, die in dem Stresstest am schlechtesten abschnitten, haben in den vergangenen fünf Jahren mehr als 20 Milliarden Euro an Dividenden ausgeschüttet. Besonders großzügig waren die französische Großbank BNP Paribas und die britische Barclays Bank.

Ohne die Dividendenausschüttungen hätten beide Häuser keine Kapitalsorgen mehr. So schüttete BNP Paribas seit 2011 rund zwölf Milliarden Euro aus. Dem steht eine erwartete Kapitallücke von zehn Milliarden Euro gegenüber. Bei Barclays, eine der wackligsten Banken im Stresstest, liegen Ausschüttungen und die errechnete Lücke gleichauf bei rund sieben Milliarden Euro.

Deutsche Bank und Commerzbank üben Zurückhaltung
Die Ökonomen haben bei ihren Berechnungen zu den erwarteten Kapitallücken der Geldhäuser aber nicht die europäischen Vorgaben herangezogen, sondern den strengeren US-Maßstab. Demnach beträgt die Lücke der 51 europäischen Banken insgesamt 123 Milliarden Euro.

Das größte Loch weist die Deutsche Bank mit fast 19 Milliarden Euro auf, gefolgt von der Société Générale mit gut dreizehn Milliarden. Grund zur Sparsamkeit? Fehlanzeige! Die Franzosen schütteten trotzdem 4,7 Milliarden Euro an die Aktionäre aus. Mehr Sorgsamkeit im Umgang mit Barem bewiesen deutsche Geldhäuser: Die Deutsche Bank verordnete ihren Anteilseignern im vergangenen und im laufenden Geschäftsjahr eine Nullrunde. Die Commerzbank wiederum zahlte für 2015 erstmals nach vielen Jahren wieder eine kleinere Dividende.

Wohlstandstransfer vom Steuerzahler zu Aktionären
Die Forscher leiten aus ihren Ergebnissen eine unmissverständliche Kritik an der Bankenaufsicht ab: "Unterkapitalisierten Banken zu erlauben, Geld auszuschütten, bedeutet einen erheblichen Wohlstandstransfer von Anleihegläubigern zu Aktionären", schreiben die Studienautoren Sascha Steffen vom Mannheimer Forschungsinstitut ZEW, Viral Acharya von der New York University und Diane Pierret von der Uni Lausanne. Schlimmer noch sei der Umstand, dass am Ende auch der Steuerzahler in den Wohlstandstransfer zu den Aktionären einbezogen werde. Schließlich stehen die Staaten im Krisenfall für die Banken gerade – was im Falle italienischer Geldhäuser schon diskutiert wird.

Doch warum halten die Bankmanager an Ausschüttungen fest, die sich ihre Häuser eigentlich gar nicht leisten können? Eine naheliegende Erklärung ist, dass die Führungsspitzen einen Kapitalabzug der Kunden und der Anleihe-Investoren fürchten. Diese könnten eine gestutzte Dividende als Warnsignal auffassen.

Tatsächlich kam es bei einigen Bonds der Deutschen Bank zu massiven Turbulenzen, als das Haus seinen Dividendenfluss stoppte. Andererseits wollen die Geldhäuser ihre Aktionäre bei Laune halten – gerade angesichts des Kursverfalls der Bankaktien. Und den Weg der Kapitalbeschaffung über die Börse wollen die Manager sich auf jeden Fall offenhalten, da sie vielleicht schon in Bälde massenhaft Frischgeld brauchen. (ert)