Thomas Schüßler hat seine Anleger bis dato sehr gut durch das turbulente Jahr 2022 gebracht: Sein gut 19 Milliarden Euro schwerer DWS Top Dividende, der größte in Deutschland aufgelegte Publikumsfonds, liegt seit Anfang Januar nur minimal im Minus und gehört damit zu den besten zehn Prozent seiner Vergleichsgruppe bei Morningstar.

Dabei geholfen hat das hohe Gewicht der Energie- und Roffstoffaktien im Portfolio. Die größte Position war Ende Mai TC Energy, ein kanadisches Unternehmen, das Erdgas- und Erdölpipelines betreibt. Platz zwei gehört dem Bergbau- und Düngemittelgiganten Nutrien, Rang drei dem Minenkonzern Newmont. In den Top-Ten finden sich auch BHP, Shell, Total und Schlumberger. Dem Fonds tat das gut, alle genannten Aktien liegen auf Euro-Basis gerechnet seit Jahresbeginn im Plus. Klar ist aber auch: Solche Titel würde ein Anleger typischerweise nicht in einem Nachhaltigkeitsfonds vermuten. Und an dieser Stelle wird es interessant, hat die DWS Schüßlers Fonds doch gemäß Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung (SFDR) eingestuft, dem Paragrafen also, der nach Ansicht der wohl meisten Branchenbeobachter für ESG-Strategiefonds vorgesehen ist.

Es gelten ESG-Standards – aber nur für 60 Prozent des Portfolios
Im Verkaufsprospekt gibt es dazu Passagen, die beim Leser eher Fragen aufwerfen, als sie zu beantworten. In der aktuellen Version des Dokuments (vom 1. März 2022) heißt es unter "Anlageziel und -strategie": "Mit diesem Fonds bewirbt die Gesellschaft ökologische und soziale Merkmale oder eine Kombination aus diesen Merkmalen im Sinne von Artikel 8 der EU-Verordnung (…), ohne dabei eine explizite ESG- und/oder nachhaltige Anlagestrategie zu verfolgen." Was denn nun? Wird der Fonds etwa als nachhaltig beworben, ohne es zu sein? Das lässt aufhorchen, insbesondere vor dem Hintergrund der Greenwashing-Vorwürfe, mit denen sich das Haus konfrontiert sieht und die es vehement bestreitet.

Auch die "Besonderen Anlagebedingungen" versprechen nur bedingt Aufklärung: "Mindestens 60 Prozent des Wertes des OGAW-Sondervermögens müssen in Vermögensgegenstände von Emittenten angelegt werden, die definierte ESG-Standards in Bezug auf ökologische, soziale und die Unternehmensführung betreffende Merkmale ('ESG-Kriterien') erfüllen", ist dort zu lesen. Und was ist mit dem Rest? Das erfährt der Anleger weiter unten: "Bis zu 40 Prozent des Wertes des OGAW-Sondervermögens können in Vermögensgegenstände angelegt werden, die den ESG-Standards nicht entsprechen oder nicht bewertet werden." Das klingt so, als könne Schüßler zwei Fünftel seines Portfolios nach Belieben mit Aktien "schmutziger" Unternehmen bestücken.

Allzu schmutzig darf es nicht werden
Doch ganz so einfach ist es nicht. Die Antwort der DWS auf eine Anfrage von FONDS professionell ONLINE verdeutlicht, wie wenig die aktuelle ESG-Regulierung an vielen Stellen hilft – und dass Anleger eine Einstufung gemäß Artikel 8 SFDR nicht als Gütesiegel auffassen sollten.

Zunächst verneint eine DWS-Sprecherin die Frage der Redaktion, ob die jüngste Änderung des Verkaufsprospektes eine Reaktion auf die Greenwashing-Vorwürfe sei. Grund für die Prospektänderung sei vielmehr, dass der DWS Top Dividende von Artikel 6 auf Artikel 8 der Offenlegungsverordnung umgestellt worden sei. Seitdem komme der hauseigene "DWS Basic Exclusions"-Filter zum Einsatz. Dieser sieht bestimmte Ausschlüsse vor: Emittenten mit sehr großen Klimarisiken, vielen Normverletzungen sowie Unternehmen mit hohen Erträgen aus umstrittenen Sektoren bleiben außen vor – allzu "schmutzig" darf es in Schüßlers Fonds also nicht werden.

Das Milliardenportfolio zählt nicht als ESG-Fonds
"Als Artikel-8-Fonds unterliegt der DWS Top Dividende strengeren Kriterien, als dies als Artikel-6-Fonds der Fall war", betont der Anbieter. Das Haus nimmt bekanntlich für sich in Anspruch, "ESG als einen Eckpfeiler der Unternehmensstrategie identifiziert" zu haben. Darum habe die DWS im Zuge der SFDR-Einführung die Zahl der Fonds erhöht, "die ökologische oder soziale Merkmale fördern", so die Firmensprecherin. Der DWS Top Dividende wurde und werde jedoch nicht als Nachhaltigkeitsfonds gewertet, stellt sie klar.

Sein stattliches Volumen zählt also auch nicht zum "ESG verwalteten Vermögen", das die Deutsche-Bank-Tochter in ihrem Geschäftsbericht ausweist und das im Zuge der Greenwashing-Vorwürfe zur oft hinterfragten Kennzahl wurde. In dieser Position würde der Dividendenfonds nur auftauchen, wenn der deutlich strengere "DWS ESG Investment Standard"-Filter zum Einsatz käme, was aber nicht der Fall ist.

Drei Faktoren sorgen für schwer verständliches Kauderwelsch
Der Asset Manager weist darauf hin, dass für einen in Deutschland aufgelegten Fonds wie den Top Dividende nicht nur die europäischen Vorgaben aus der Offenlegungsverordnung gelten. "Für Fonds, die nicht als nachhaltige Investmentvermögen im Sinne der Bafin-Verwaltungspraxis eingestuft werden, verlangt die Bafin im Verkaufsprospekt (einschließlich der Anlagebedingungen) die Aufnahme der Klarstellung, dass der betroffene Fonds explizit keine nachhaltige Anlagestrategie verfolgt", erläutert die DWS.

Bei Deutschlands größtem Publikumsfonds treffen also drei Faktoren aufeinander: Da ist erstens das Bemühen der DWS, den Top Dividende nachhaltiger zu managen als bisher, ohne die Investmentstrategie zu sehr einzuschränken, zweitens die EU-Offenlegungsverordnung und drittens die Verwaltungspraxis der nationalen Aufsicht. Diese drei Punkte münden im Verkaufsprospekt in dem bereits zitierten Satz, der sogar Branchenkenner rätselnd zurücklässt: "Mit diesem Fonds bewirbt die Gesellschaft ökologische und soziale Merkmale (…), ohne dabei eine explizite ESG- und/oder nachhaltige Anlagestrategie zu verfolgen." (bm)