Der Klimawandel geht alle etwas an – und so kann sich auch die Finanzbranche nicht mehr ihrer Verantwortung entziehen. Die Lösung vieler Institute: Sie bringen vermeintlich nachhaltige Anlageprodukte zu "ESG-Standards" auf den Markt. Dazu gehören der Umweltschutz, Sozialstandards und eine gute Unternehmensführung. Doch die Kritik an solchen Produkten wird immer lauter. "Ob ich in einen normalen oder in einen grünen ETF investiere, macht für das Klima kaum einen Unterschied", sagt Tariq Fancy, ehemaliger Nachhaltigkeitschef von Blackrock in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche". 

Placeco für Krebspatienten
Dafür sei der Unterschied für die Fondsgesellschaften umso spürbarer: "Das vermeintlich grüne Produkt bringt mehr Gebühren", sagt Fancy. Seiner Meinung nach ändern transparente ESG-Offenlegungsvorschriften in der Finanzbranche nichts daran, dass das kurzfristige Profitinteresse weiterhin über den langfristigen Auswirkungen für den Planeten steht. "Die Vergütung von Vorständen ist beispielsweise seit Jahrzehnten öffentlich, und trotzdem sind die Gehälter nicht gesunken, sondern gestiegen. Und die Kalorienangaben in Fast-Food-Restaurants haben auch nicht das Übergewicht in der Gesellschaft eliminiert", begründet Fancy seine Skepsis. 

In Sachen Klimaschutz brauche es einen Impuls von außen, um Anreize zu verändern – etwa eine CO2-Steuer oder einen Mindestlohn, sagt der Nachhaltigkeits-Experte. Dabei sieht er allen voran die Regierungen in der Verantwortung. "Es ist gefährlich, dass ein großer Teil der Öffentlichkeit immer noch glaubt, ESG sei die Lösung. Denn dieser Irrglaube bremst staatliches Handeln." warnt Fancy. Vermeintlich simple Lösungen wie angeblich grüne Investments lenkten von den wirklich benötigten Maßnahmen ab, die den Klimawandel bremsen könnten. Das sei so, als würde man einem Krebspatienten ein Placebo anbieten, obwohl er eine Chemotherapie braucht.

Markt kann es nicht 
"Der Klimawandel ist das größte Marktversagen in der Geschichte", sagt Fancy gegenüber der "Wirtschaftswoche". Es liege auf der Hand, dass der Markt das Problem nicht selbst lösen kann – "schon gar nicht in dem Tempo, das nötig wäre, um beispielsweise den Klimawandel noch abzufedern", so Fancy. Es sei daher kein Wunder, dass ESG bislang kaum zu messbaren positiven Entwicklungen geführt hat. Fancy fordert unter anderem eine stärkere Regulierung und einheitliche ESG-Standards. (fp)