Die Fondsbranche sei weiterhin dabei, auf das Risiko von Greenwashing-Vorwürfen zu reagieren, erklärte Mairead McGuinness, EU-Kommissarin für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und Kapitalmarktunion, in einem Interview in Brüssel. "Das ist eine Selbstkorrektur, und das ist gut so", sagte McGuinness. "Und ich denke, davon werden Sie noch mehr sehen."

Die Branche steht vor einer Überprüfung ihrer Einhaltung zahlreicher Umwelt-, Sozial- und Governance-Vorschriften, die in den vergangenen Jahren eingeführt wurden. Nach Ansicht von Asset Managern wurden die massiven Herabstufungen – durch die in den drei Quartalen bis März 200 Milliarden Euro an Kundengeldern die höchste ESG-Einstufung in der EU verloren haben – durch verwirrende Vorschriften der Kommission ausgelöst.

Die Offenlegungsverordnung (SFDR), das weltweit umfassendste Regelwerk für ESG-Investitionen, soll noch in diesem Jahr überarbeitet werden. Investoren und Aufseher gleichermaßen kritisieren an der SFDR Schlupflöcher, die zu erheblichen Auslegungsunterschieden führen.

Eine kürzlich von MSCI durchgeführte Analyse ergab, dass die "überwältigende Mehrheit" der Fonds, die unter den beiden ESG-Produktkategorien der SFDR – Artikel 8 und 9 – registriert sind, kein erklärtes Ziel zur Ausrichtung an der EU-Taxonomie-Verordnung haben. MSCI führte dies auf mangelnde Offenlegung seitens der Unternehmen zurück, in die die Fonds investieren.

Gleichzeitig geht die EU hart gegen ESG-Ratings vor und arbeitet an einer formalen Definition von Greenwashing, um Ordnung in die Branche zu bringen. Die Investmentmanager warten nun ab, wie hart die kommenden regulatorischen Eingriffe ausfallen werden.

"Fast eine Revolution"
McGuinness bezeichnete den Umfang der ESG-Ambitionen der EU als "fast eine Revolution", da Unternehmen und Investoren dazu gedrängt werden, neben den Gewinnen auch andere Ziele in den Vordergrund zu stellen. "Wir sind dabei, eine komplexe Matrix von Maßnahmen rund um nachhaltige Finanzen zu vervollständigen", sagte McGuinness.

Anfang dieses Monats kündigte die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde an, dass sie eine Aufsichtsaktion starten werde, um zu prüfen, inwieweit die in den vergangenen Jahren aufgestellten ESG-Investmentregeln eingehalten werden. Diese Entscheidung markiert einen Richtungswechsel, da sich die Behörden bisher mehr auf die Entwicklung von ESG-Regeln als auf deren Durchsetzung konzentriert haben.

Panikverkäufe drohen
Anwälte, die die Branche beraten, haben davor gewarnt, dass das bevorstehende harte Durchgreifen einige Kunden dazu verleiten könnte, in Panik zu geraten und Anlagen zu veräußern, wenn sie nicht alle ökologischen und sozialen Verpflichtungen einhalten. Dies sei "ein mögliches Ergebnis", erklärte Caitlin McErlane, Partnerin in der Londoner Gruppe für Finanzdienstleistungsrecht bei Baker & McKenzie, in einem Interview Anfang des Monats. Vermögensverwalter "wollen nicht, dass ihr Ruf dadurch geschädigt wird, dass sie ihre öffentlich eingegangenen Verpflichtungen nicht einhalten". (mb/Bloomberg)