Der Boom der nachhaltigen Investments sorgt in der Branche für ein interessantes Schaulaufen: Es gibt kaum einen Asset Manager, der nicht von sich behauptet, zu den Vorreitern der verantwortungsvollen Geldanlage zu gehören. Die Anbieter lancieren eifrig neue Öko- und Ethikfonds, investieren in neues Research und stocken ihre ESG-Teams auf. Die Frage, wie nachhaltig ein Fondsanbieter tatsächlich ist, lässt sich allerdings alles andere als leicht beantworten. FONDS professionell hat deshalb jüngst die Ergebnisse einer exklusiven Umfrage veröffentlicht, in der Dutzende Investmenthäuser Details zu ihrer ESG-Politik, der Produktpalette und den Research-Kapazitäten verraten.

Doch man kann sich der Sache auch aus anderer Perspektive nähern, nämlich mit einem Blick ins Portfolio. Darum bat die Redaktion den Datenanbieter Morningstar, eine Auswertung auf Basis seines Nachhaltigkeitsratings vorzunehmen. Die Ergebnisse finden Sie grafisch aufbereitet in der Bilderstrecke oben – einfach weiterklicken!

"ESG Risk Rating" als Basis
Die Grafiken zeigen das durchschnittliche "Morningstar Sustainability Rating" (MSR) aller europäischen Fonds, für die es ein entsprechendes Rating gibt. Das MSR basiert auf dem "ESG Risk Rating" der Morningstar-Tochter Sustainalytics. Risiko meint hier, inwiefern der Wert eines Unternehmens durch ESG-Probleme bedroht ist. "Welche das sind, unterscheidet sich von Branche zu Branche und von Unternehmen zu Unternehmen", sagt Ali Masarwah aus dem Frankfurter Morningstar-Researchteam. Sustainalytics zielt speziell auf die ESG-Risiken ab, die ein Unternehmen nicht kontrollieren kann oder will. "Ölkonzerne tragen zum Beispiel das Risiko, dass fossile Brennstoffe ersetzt werden", erläutert Masarwah.

Morningstar überträgt diese Logik auf Fonds, indem das Rating der Einzeltitel im Portfolio zu einem Gesamtwert kumuliert wird. Dieser wird mit anderen Fonds der Kategorie verglichen. Die besten erhalten fünf Globen, die schlechtesten nur einen – genau wie beim bekannten Sternerating.

Fonds, deren Einzeltitel in Summe ein "hohes" oder "schwerwiegendes" ESG-Risiko tragen, bekommen aber höchstens einen bis drei Globen. So verhindert Morningstar, dass etwa ein Ölaktienfonds die Top-Note erhält, weil die Unternehmen in seinem Portfolio etwas "sauberer" wirtschaften als die seiner Wettbewerber. "Das ist auch der Grund, warum norwegische Fonds im Schnitt nur mittelmäßig abschneiden, obwohl Skandinavien als ESG-Vorreiter gilt", sagt Masarwah. "Sie haben recht viele Energie- und Rohstofftitel im Portfolio, das drückt auf die Gesamtnote."

Sustainalytics bewertet nur Unternehmen, keine Staaten
Wichtig ist, dass Sustainalytics bislang nur Unternehmen bewertet, aber keine Staaten. Daher gibt es für Staatsanleihen kein ESG-Risk-Rating und für die entsprechenden Fonds keine Morningstar-Globen.

Die hier gezeigten Ergebnisse basieren auf dem MSR von 16.910 Publikumsfonds und 1.090 ETFs. In Summe verwalten sie 5,7 Billionen Euro. Gut zwei Drittel davon stecken in Aktienfonds, 16 Prozent in Misch- und 13 Prozent in Rentenfonds, vor allem in solchen mit Unternehmensanleihen. Der kleine Rest entfällt im Wesentlichen auf Wandelanleihen und Alternatives. Weil es für viele Sondervermögen kein MSR-Rating gibt, liegt das für diese Auswertung berücksichtigte Fondsvolumen teils deutlich unterhalb des Gesamtvermögens der betrachteten Asset Manager.

Nur ein erster Überblick
Auch wenn die Grafiken einen ersten Überblick geben, wie es um das ESG-Risiko in den Portfolios der Fondsanbieter bestellt ist, sollten die Ergebnisse nicht überbewertet werden. Zum einen könnten die Resultate mit ESG-Ratings anderer Datenanbieter ganz anders ausfallen. Zum anderen gibt es Asset Manager, die in ihren Nachhaltigkeitsfonds gerade nicht auf die ökologisch und ethisch korrektesten Unternehmen setzen, sondern bewusst in Firmen mit umstrittenen Geschäftspraktiken investieren. Sie versuchen dann, deren Management zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Das sieht auf den ersten Blick nicht besonders grün aus, kann unter dem Strich aber den deutlich größeren Effekt haben als ein Investment in die ESG-Vorreiter.

Wie anfangs erwähnt: Die Frage, wie nachhaltig ein Asset Manager wirklich agiert, ist alles andere als leicht zu beantworten. (bm)


Der vollständige Artikel ist in FONDS professionell 4/2020 ab Seite 114 zu finden. Angemeldete Leser können ihn auch hier im E-Magazin abrufen.