Beim größten deutschen Geldhaus sollen rund 9.000 Stellen wegfallen, davon rund 4.000 im Heimatmarkt. Dies teilte der neue Vorstandschef der Deutschen Bank, John Cryan, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag mit. 6000 weitere Stellen werden bei externen Dienstleistern gestrichen. Cryan kündigte zudem einen umfassenden Umbau der Strukturen und eine Erneuerung der digitalen Systeme an. Das Institut wird sich aus einzelnen Geschäftsbereichen und Märkten zurückziehen.

Im dritten Quartal hat die Bank einen Milliardenverlust aufgetürmt. Co-Chef Cryan spricht von einem "absolut enttäuschenden Ergebnis". Unter dem Strich hat das Unternehmen einen Verlust von sechs Milliarden Euro erlitten. Das ist der größte Verlust, den das Kreditinstitut jemals in einem Dreimonatszeitraum ausgewiesen hat.

Rückstellungen für Prozesse
Das Ergebnis sei durch Sonderbelastungen in Höhe von 7,6 Milliarden Euro belastet worden, sagte Finanzvorstand Marcus Schenck. Zudem erhöhte die Bank die Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten um eine Milliarde auf 4,8 Milliarden Euro. Am späten Mittwoch hatte das Institut bereits mitgeteilt, dass die Dividende für 2015 und 2016 entfallen wird. Damit soll das Kapital gestärkt werden. Dies ist die erste Dividendenstreichung seit der Nachkriegszeit.

Der 54-jährige Cryan hatte im Juli die Leitung der Bank von Anshu Jain übernommen. Er steht unter Druck, die Kosten zu senken, die Kapitalpuffer aufzustocken und den Kursverfall der Aktie umzukehren. Die Aktie der größten deutschen Bank hinkt hinter der Wertentwicklung der Titel anderer globalen Finanzinstituten hinterher. Im vergangenen Monat hatte Cryan bereits das Management der Bank umgebaut. Auch die Vermögensverwaltung wird neu strukturiert. Jürgen Fitschen wird die Bank noch bis zur nächsten Hauptversammlung im Mai 2016 neben Cryan als Co-Chef leiten.

Ziele nie eingehalten
Cryan kritisierte deutlich die Politik seiner Vorgänger. "Die Deutsche Bank hat kein Strategieproblem. Wir wissen, wohin wir wollen", sagte Cryan auf der Pressekonferenz. "Aber diese Bank hat seit vielen Jahren ein Problem, die Ziele umzusetzen." Viele Ziele seien verkündet, aber nie eingehalten worden. Am Ende seien kurzfristige Gewinne über den langfristigen, wirtschaftlichen Erfolg gestellt worden, "wie das leider so häufig passiert", wettert Cryan.

Defizite hat Cryan vor allem bei der Struktur des Geldhauses und bei den IT-Systemen ausgemacht. "Die Struktur dieses Hauses ist zu komplex und muss vereinfacht werten", so Cryan. "Es hat mich beunruhigt zu hören, dass 35 Prozent der Hardware unserer Rechenzentren am Ende ihres Lebenszyklus ist – oder sogar schon darüber." Entsprechend will Cryan die Führungsstrukturen vereinfachen und in die digitalen Systeme investieren. "Der Umbau bringt leider auch schmerzhafte Einschnitte mit sich", so der neue Bankchef.

Rund 200 Filialen vor dem Aus
Im Inland will der neue Co-Chef der Bank rund 200 Filialen schließen. Die zum Teil doppelten, regionalen Strukturen der verschiedenen Geschäftsbereiche sollen in Deutschland zusammengelegt werden. Darüber hinaus wird der Dax-Konzern über den Verkauf von Beteiligungen in den nächsten zwei Jahren seinen Mitarbeiterstamm von zuletzt etwa 103.000 um weitere 20.000 Vollzeitkräfte verringern. Dabei geht es vor allem um die bereits beschlossene Trennung von der Postbank.

Schrumpfen wird die Bank auch ihre internationale Präsenz: Sie zieht sich aus zehn Ländern vollständig zurück, darunter Argentinien, Chile, Mexiko und Dänemark. Der Sparkurs soll die Kosten um brutto rund 3,8 Milliarden Euro drücken. Die Kosten für den Umbau inklusive Abfindungen bezifferte das Geldhaus auf rund 3,0 Milliarden bis 3,5 Milliarden Euro.

Vorstand im Linienflieger
Cryan kündigte weiterhin an, dass mehr Verantwortung an die Mitarbeiter delegiert werden und ihnen mehr Spielraum für eigenverantwortliches Handeln eingeräumt werden solle. Im Gegenzug sollte die Belegschaft auch entsprechend geschult und gefördert werden. Die Vergütung soll sich künftig nicht mehr nach Erträgen, sondern nach den tatsächlich erzielten Gewinnen und am Verhalten richten. Nach Pressekonferenz machte sich der gesamte Vorstand der Bank auf den Weg nach London, um die Umbaupläne den Investoren zu erläutern – im Linienflieger, wie die Bank betonte. (ert)