Der Londoner Vermögensverwalter Jacobi Asset Management hat einen Bitcoin-ETF als nachhaltig gemäß Artikel 8 der EU-Offenlegungsverordnung eingestuft und damit scharfe Kritik von Wissenschaftlern provoziert.

Jacobi AM zufolge handelt es sich bei dem Mitte August lancierten Jacobi FT Wilshire Bitcoin ETF um einen Artikel-8-Fonds, was gemäß EU-Recht bedeutet, dass er ESG-Aspekte "fördern" muss. Martin Bednall, ein früherer Blackrock-Manager, der im vergangenen Jahr Chef von Jacobi wurde, verspricht den Anlegern, der ETF werde "vollständig dekarbonisiert" sein. Der Nachrichtenagentur "Bloomberg" zufolge handelt es sich um das erste börsengehandelte Bitcoin-Produkt, das den Artikel-8-Vorgaben unterworfen wurde.

Der ETF hat seinen Sitz in Guernsey und ist in Amsterdam gelistet, nachdem andere Fondsdomizile laut Bednall zu viele regulatorische Hürden aufwarfen. In der Zwischenzeit prüfe sein Unternehmen andere europäische Märkte für ein Cross-Listing des ETF, auch "Gespräche in Asien, Afrika und dem Nahen Osten" würden geführt, so Bednall. Die Londoner Börse sei aufgrund der von der Finanzaufsicht FCA auferlegten Beschränkungen dagegen tabu.

Treibhausgasemissionen werden angeblich ausgeglichen
Der Jacobi-ETF gilt als ESG-Produkt, weil er in Zertifikate für erneuerbare Energien (Renewable Energy Certificates, RECs) investiert, erläutert Bednall. Die Idee ist, dass Jacobi durch den Kauf der RECs genügend Erneuerbare-Energien-Projekte unterstützt, um die Treibhausgasemissionen auszugleichen, die beim "Mining" der Bitcoins für den ETF entstehen.

Das Gewinnen neuer Bitcoin-Einheiten ist sehr energieintensiv. Die dafür benötigte Rechenleistung verbraucht schätzungsweise 140 Terawattstunden pro Jahr, was etwa der 2022 in Norwegen erzeugten Energie entspricht. Das Cambridge Centre for Alternative Finance schätzt, dass nur 38 Prozent des Bitcoin-Minings mit nachhaltiger Energie – einschließlich Kernenergie – erfolgt. Die Branche schätzt diese Quote dagegen auf etwa 60 Prozent.

"Nicht glaubwürdig"
Die Verwendung von RECs zur Umsetzung einer Dekarbonisierungsstrategie sei "nicht glaubwürdig", sagt Matthew Brander, Dozent für Kohlendioxidbilanzierung an der Business School der University of Edinburgh. "Der Kauf eines REC repräsentiert keine reale Beziehung zwischen digitalen Assets und erneuerbarer Energie."

Das gelte insbesondere dann, wenn die RECs "entbündelt" seien, wie es bei den Jacobi-Zertifikaten der Fall ist, so Anders Bjørn, Hauptautor eines im Juni 2022 in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change" veröffentlichten Artikels über RECs. Die Behauptung der Dekarbonisierung sei "nur dann glaubwürdig, wenn Jacobi Asset Management nachweisen kann, dass durch den Kauf von RECs eine gleichwertige Menge erneuerbarer Energie erzeugt wird", so Bjørn. "Das scheint höchst unwahrscheinlich, da das Unternehmen ungebündelte RECs kauft, um den Stromverbrauch aus dem Bitcoin-Mining zu decken."

Jacobi-Chef Bednall sagt, er sei sich der Kritik an den Marktinstrumenten zur Minderung von Kohlendioxidemissionen bewusst. Jacobi habe sich nach Prüfung der verfügbaren Optionen für RECs entschieden. "RECs wurden den Kompensationsgeschäften vorgezogen, da der wesentlichste Teil unseres CO2-Fußabdrucks mit dem Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks zusammenhängt." (bm/Bloomberg)