Dass Immobilien nicht mobil sind, verrät schon ihr Name. Dass sie zudem illiquide sind, wurde Millionen Anlegern wohl erst 2008 so richtig bewusst. Sie hatten Milliarden in offene Immobilienfonds gesteckt, die eine tägliche Liquidität versprachen, sie in der Finanzkrise aber nicht bieten konnten. Bei über einem Dutzend Fonds wollten die Investoren schneller ihr Geld zurück, als die Anbieter die Objekte veräußern konnten. Die Fonds mussten zugesperrt und abgewickelt werden.

Damit sich ein solches Drama nicht wiederholt, wurden der Branche mit dem Kapitalanlagegesetzbuch neue Regeln verordnet: Seit Juli 2013 müssen Anleger neu gezeichnete Anteile mindestens zwei Jahre halten. Wollen sie aussteigen, müssen sie das zwölf Monate im Voraus kundtun. Für Altanteile gibt es einen Freibetrag von 30.000 Euro pro Kalenderhalbjahr. Wer höhere Beträge abziehen möchte, muss ebenfalls zwölf Monate zuvor kündigen.

Mit den neuen Regeln arrangiert
Es dauerte eine Weile, bis sich Anbieter, Anleger und Vertrieb von der Krise erholt und mit dem neuen Regime arrangiert hatten. Doch mittlerweile läuft das Geschäft hervorragend: Das Volumen der offenen Immobilien-Publikumsfonds in Deutschland überschritt 2019 erstmals die Marke von 100 Milliarden Euro. Der Nettoabsatz liegt auf Rekordniveau, jüngst kamen zahlreiche neue Produkte an den Markt. Viele Manager beschränken den Mittelzufluss bewusst, weil sie zunehmend Mühe haben, das viele Geld rentabel zu investieren.

Gibt es in einem solchen Umfeld überhaupt Anleger, die ihre Stücke verkaufen möchten? Ja – aber nur wenige. FONDS professionell hat sich bei den Anbietern umgehört, für wie viele Anteile aktuell eine Kündigung vorliegt. Union Investment, Deka und Kanam Grund gaben bereitwillig für einzelne Fonds Auskunft (siehe Tabelle).
 

Kündigungsquoten ausgewählter Immobilienfonds

 Summe der Kündigungen relativ zum…
Fonds… gesamten Fondsvolumen… Neugeschäft seit Juli 20131
Deka-Immobilien Europa0,5%2,0%2
Deka-Immobilien Global 0,4%1,1%2
Leading Cities Invest0,3%0,3%
Uniimmo: Deutschland0,6%1,3%
Uniimmo: Europa0,7%1,7%
Uniimmo: Global0,7%1,3%
Westinvest Interselect0,5%1,5%2

 

Fonds alphabetisch sortiert; 1 seit Einführung des KAGB ausgegebene Anteile; 2 bezogen auf den Volumenszuwachs seit Juli 2013; Quelle: Anbieter, eigene Berechnungen; Stand: 30.09.2019


Kaum Rückgaben
Die DWS teilte für den Grundbesitz Europa und den Grundbesitz Global mit, dass per Ende August für rund ein bis anderthalb Prozent des Volumens Kündigungen für Rückgaben in den kommenden zwölf Monaten vorliegen. Commerz Real (Hausinvest), Industria (Fokus Wohnen Deutschland) und Wertgrund (Wohnselect D) wollten keine Zahlen nennen. Swiss Life Asset Managers gab zu Protokoll, da der Living + Working erst im Dezember 2016 aufgelegt worden sei, lägen erst so wenige Kündigungen vor, "dass sie faktisch keine Bedeutung" hätten.

Diese Aussage darf wohl für die meisten Fonds gelten. Beim Leading Cities Invest beispielsweise liegen aktuell gerade Mal für 0,3 Prozent der Anteile Kündigungen vor. "Für uns ist das ein schöner Beweis der Kundenloyalität", sagt Kanam-Grund-Geschäftsführer Heiko Hartwig. Bei den anderen auskunftswilligen Häusern liegen die Quoten zwar etwas höher (siehe Tabelle oben). Reinhard Kutscher, der scheidende Chef von Union Investment Real Estate, gibt allerdings zu bedenken, dass diese Zahlen alle aktuell vorliegenden Kündigungen umfassen. "Diese werden teilweise erst in mehr als einem Jahr wirksam", betont er.

Aussagekräftiger ist seiner Meinung nach daher die Höhe der Kündigungen mit Wirksamkeit für ein bestimmtes Kalenderjahr. "So umfassen alle 2019 wirksamen Kündigungen einen Anteil von 0,6 Prozent bis 0,8 Prozent der seit Einführung der Kündigungsfristen ausgegebenen Anteile", berichtet Kutscher.

Berater gefragt
Für die Fondsmanager ist das eine beruhigende Nachricht: Die wenigen Rückgaben können sie locker aus der ohnehin üppigen Liquiditätsreserve bedienen. Eine Immobilie müssen sie deshalb jedenfalls nicht veräußern. Und in der nächsten Finanzkrise hätten sie dafür mindestens ein Jahr Zeit – falls es denn überhaupt nötig sein sollte.

Anleger müssen ihre Kündigung nämlich bei ihrer Bank einreichen. Dort kann der Berater sie noch einmal daran erinnern, dass eine Immobilie nicht nur immobil, sondern auch illiquide ist – und dass es sich meist auszahlt, solche Vermögenswerte langfristig zu halten statt voreilig abzustoßen. (bm)


Dieser Artikel ist ursprünglich in FONDS professionell 4/2019 auf Seite 234 erschienen. Angemeldete FONDS professionell KLUB-Mitglieder können ihn auch hier im E-Magazin abrufen.