Das Garantieniveau für Neuverträge in der betrieblichen Altersversorgung (bAV) muss angesichts der Niedrigzinsphase auf ein erträgliches Maß reduziert werden. Doch Berlin weigert sich schon länger, für die weit verbreitete Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) und auch für private und betriebliche Riester-Renten Garantieniveaus von unter 100 Prozent  zu erlauben. Das führt zu dem ungewollten Effekt, dass immer mehr Arbeitnehmer Laufzeiten von über 100 Jahren erreichen müssten, um die Mindestleistung zu bekommen. BZML-Anbieter sind in der Vorgabe des Betriebsrentengesetzes gefangen, wonach sie "mindestens die Summe der zugesagten Beiträge garantieren müssen", heißt es im Gesetz (Paragraf 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG). Was tun?

Professor Jochen Ruß, Geschäftsführer des Instituts für Finanz- und Aktuarwissenschaften (Ifa), und seine Kollegen haben sich in mehreren Studien mit dem Problem und Lösungsansätzen beschäftigt. Er hält im aktuellen Zinsumfeld eine Mindestgarantie von 70 bis 80 Prozent für angemessen, so sein Fazit einer Studie aus dem Frühjahr im Auftrag von Union Investment.

Darauf müsse der Gesetzgeber spätestens zum Jahreswechsel 2021/2022 reagieren. "Man nimmt sonst als Nebenwirkung einer bloßen Verordnung in Kauf, BZML und Riester-Rente schwer zu beschädigen", so der Wissenschaftler. Bleibt es beim Status Quo, erzwingt die Politik eine Schließung der BZML, die in vielen Tarifverträgen und Gruppenverträgen fest verankert ist. Das hätte gravierende Nachteile gerade für junge Arbeitnehmer zur Folge.

BoLZ statt BZML
Inzwischen weichen immer mehr Versicherer auf eine beitragsorientierte Leistungszusage (BoLZ) aus. Sie verspricht mehr Leistung mit weniger Garantie, so Ruß. Dazu hat er nun zusammen mit Sandra Blome und Andreas Seyboth im Auftrag der Allianz eine weitere Studie angefertigt, die Auswirkungen von Garantien auf Produkte für die bAV in einem Umfeld niedriger Zinsen aufzeigt. Ergebnis: Bedarfsgerechte Garantien können auch im Rahmen der bAV weiter angeboten werden. Auf Basis eines Simulationsmodells wurde ein marktübliches dynamisches Hybridprodukt mit einer Garantie von 60 bis 80 Prozent der Beiträge mit einem rein sicherungsvermögenbasierten Produkt mit einer Garantie von 100 Prozent der Beiträge verglichen.

Die Berechnungen zeigen, dass eine 100-Prozent-Garantie aktuell zu einer sehr starken Reduktion der Chancen führt. Umgekehrt reduziert diese Garantie zwar das nominale Risiko – in Bezug auf das relevante reale Risiko wirkt sie dagegen, wenn überhaupt, kaum risikormindernd. Im aktuellen Zinsumfeld seien daher niedrigere Garantieniveaus auch für sicherheitsorientierte Menschen bedarfsgerechter als hohe, so das Ifa.

Studie zeigt zwei positive Effekte
Bei der BoLZ können auch niedrigere Garantieniveaus angeboten werden. Beim Vergleich mit der BZML (Ansparphase und Rentenbezugsphase) hat das Ifa mit 60 und 80 Prozent Garantie gerechnet und folgende zwei Effekte beobachtet:

  • Bei einer BoLZ mit abgesenkter Garantie sind die garantierte Rentenhöhe sowie der "Wert" der Rente mit einer großen Wahrscheinlichkeit höher als bei einer BZML mit 100 Prozent Garantie. Diese beiden Größen sind offensichtlich direkt proportional zur Ablaufleistung, sodass sich die Unterschiede, die sich zwischen den Produkten in Bezug auf Chancen und Risiken der Ablaufleistung ergeben, unmittelbar übertragen.
  • Auf die Anfangsrente lassen sich die Effekte aus der Ansparphase allerdings nicht direkt übertragen, denn diese wäre bei gleich hohem Verrentungskapital bei der volldynamischen Rente geringer als bei der teildynamischen Rente. Der Vorteil der BoLZ aus der Ansparphase ist aufgrund des in vielen Fällen höheren Verrentungskapitals allerdings so groß, dass in den meisten Fällen die BoLZ- und BZML-Produkte im Mittelwert ähnliche Anfangsrenten aufweisen. Bei den BoLZ-Produkten wird die Rente dann voraussichtlich stärker steigen und kann insbesondere nie sinken.

So lesen die Tabelle richtig: Der Wert 34,3 Prozent in der linken oberen Zelle der Tabelle bedeutet, dass im Very-Good-Case ein BoLZ-Produkt mit einem Garantieniveau von 80 Prozent eine um 34,3 Prozent höhere reale Ablaufleistung nach 20 Jahren aufweist als das BZML-Produkt (bei 30 Jahren sogar 86,9 Prozent). Somit sind beim BoLZ-Produkt im günstigsten Fall auch die bei Rentenbeginn garantierte Rente sowie der ex ante Wert der Rente um 34,3 Prozent höher als bei der BZML.

Auffällig ist, dass bei unterstellter niedriger Volatilität alle Werte im linken Teil der Tabelle positiv sind. Sowohl in guten als auch in schlechten Szenarien ergibt sich bei der BoLZ also eine höhere reale Leistung. Lediglich bei unterstellter hoher Volatilität ergeben sich in den schlechten Szenarien (Bad-Case und Very-Bad-Case) leicht negative Werte. Hier weist also das Produkt mit 100 Prozent Beitragsgarantie eine etwas höhere Leistung auf.

BoLZ: gut für sicherheitsorientierte Arbeitnehmer, aber Gesetzgeber gefragt
Fazit: Insgesamt erscheint den Wissenschaftlern das Chance-Risiko-Profil einer BoLZ mit reduzierter Garantie im aktuellen Umfeld auch unter Einbeziehung der Rentenbezugsphase attraktiver als das Chance-Risiko-Profil einer BZML. Damit seien niedrigere Garantien aktuell auch für sicherheitsbetonte Arbeitnehmer bedarfsgerecht. Einziger offener Punkt: Eine gesetzliche Regelung für eine angemessene Garantiehöhe bei der BoLZ gibt es (noch) nicht. "Garantieniveaus von 70 bis 80 Prozent der Beiträge zum Rentenbeginn lässt die bisherige Rechtslage aufgrund der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu", sagt Guido Bader, Vorstand der Deutschen Aktuarvereinigung.

Auch wenn die klare Mehrheit der Experten der Meinung ist, dass bei der BoLZ keine Bruttobeitragsgarantie wie bei der BZML gefordert ist, "wäre eine diesbezügliche Klarstellung des Gesetzgebers wünschenswert, um Rechtssicherheit zu schaffen", meint HDI-Vorstand Fabian von Löbbecke mit Blick auf das politische Berlin nach der Bundestagswahl. (dpo)