Während die Aktienkurse fallen, beziehen zahlreiche Manager üppige Aktienoptionspakete. Union Investment, die Fondsgesellschaft der Volksbanken und Raiffeisenbanken, kommt zu dem Ergebnis, dass die Aktienoptionspläne der meisten DAX-Unternehmen wichtige Mindeststandards verfehlen. Viele Manager profitieren auch dann, wenn die Aktien nur geringe Wertsteigerungen erzielen und gegenüber ihren Konkurrenten zurückbleiben. Union Investment ist mit einem Vermögen von rund 100 Milliarden Euro und mehr als 3,7 Millionen Anlegern die drittgrößte deutsche Fondsgesellschaft.

Bereits seit 1996 setzt sich Union Investment verstärkt für eine aktionärsfreundliche Geschäftspolitik der Aktiengesellschaften und damit die Interessen der Anleger ein. Standen dabei zunächst überwiegend die heimischen DAX-Unternehmen auf dem Prüfstand, dehnt sich das Engagement seit zwei Jahren auch auf europäische Unternehmen aus. Union Investment fordert, dass die Unternehmen die Kosten der Aktienoptionspläne in der Gewinn- und Verlustrechnung ausweisen, so wie zahlreiche amerikanische Fondsgesellschaften dies für die USA verlangen. Wir sprachen mit Jens Wilhelm, dem Leiter des Union-Aktienfondsmanagements, welche DAX-Unternehmen seinen Erwartungen bereits entsprechen und welche nicht.

Frage 1: Warum haben Sie die Aktienoptionspläne der DAX-Gesellschaften untersucht. Ist es für die Aktionäre nicht einerlei, ob die Unternehmen solche Programme auflegen oder nicht?

Wilhelm: Keineswegs. Wenn Manager Aktienoptionen erhalten und später ausüben, erhöht dies die Kosten der Unternehmen und reduziert die Gewinne. Leider berücksichtigen nur wenige Unternehmen diese Kosten. Wer die Kosten aber nicht in die Gewinnberechnung einbezieht, täuscht die Aktionäre. Deshalb dringen wir darauf, die Kosten in der Gewinn und Verlustrechnung vollständig auszuweisen. Dies gilt im Übrigen nicht nur für DAX-Unternehmen. Einer Studie von Merril Lynch zufolge wären die Gewinne der Unternehmen im S&P 500 Index bei Berücksichtigung der Options-Kosten im Jahr 2001 um durchschnittlich 21 Prozent niedriger ausgefallen, bei Nasdaq-Unternehmen sogar um 39 Prozent.

Frage 2: Sind Sie also grundsätzlich gegen Aktienoptionspläne?

Wilhelm: Keineswegs. Denn die Interessen der Aktionäre und die Interessen der Manager von Großunternehmen unterscheiden sich. Wenn beispielsweise die Gehälter der Manager sich an der Größe und nicht am Gewinn der Unternehmen orientieren, laufen die Interessen bereits auseinander. Während der Aktionär die Gewinnsteigerung favorisiert, verfolgt der Manager die Umsatzmaximierung. Aktienoptionen können diesen Zielkonflikt lösen und die Ziele der Manager mit den Interessen der Aktionäre an steigenden Aktienkursen verknüpfen. Dies funktioniert aber nur wenn, die Optionen vernünftig gestaltet sind, und angemessen dosiert werden. Die Renditeziele müssen also ehrgeizig sein und die Optionen dürfen nicht mit der Gießkanne verteilt werden.

Frage 3: Kann es wirklich sinnvoll sein, die Bezahlung der Manager von kurzfristig schwankenden Aktienkursen abhängig zu machen?

Wilhelm: Die täglichen Schwankungen sind kein Thema. Denn die Optionsprogramme sollten grundsätzlich längerfristig ausgerichtet sein - also drei Jahre und mehr. Tagesschwankungen spielen dann kaum noch ein Rolle.

Frage 4: Wie sollten sinnvolle Aktienoptionsprogramme konstruiert sein?

Wilhelm: Solche Programme sollten nur dann zünden, wenn es dem Management gelingt, den Aktienkurs jährlich stärker zu steigern als die Anleger mit weitgehend risikolosen Anleihen verdienen können. Das bedeutet, erst wenn Aktien eine jährliche Wertsteigerung von 8 Prozent übertreffen, dürfen die Manager davon profitieren. Darüber hinaus sollten die Manager die Optionen nur dann ausüben dürfen, wenn die Aktien sich besser entwickeln als die der Wettbewerber. Hierzu sollte ein Vergleichsindex hinzugezogen werden. Die Vorstände sollten nur profitieren, wenn der Index geschlagen wird.

Frage 5: Und erfüllen die DAX-Unternehmen diese Anforderungen. Wer schneidet gut ab?

Wilhelm: Das Vergütungsprogramm der Lufthansa liegt auf Rang eins. Die Manager erhalten lediglich einen Rabatt von 20 Prozent, müssen also einen Anteil von 80 Prozent aus der eigenen Tasche bezahlen. Zudem erhalten sie eine Option, die nur dann zu einer zusätzlichen Vergütung führt, wenn die Lufthansa-Aktie sich besser entwickelt als die Aktien wichtiger Wettbewerber. Die Optionsprogramme von BASF, RWE und Schering folgen auf den Rängen 2 bis 4. Bei Schering fällt unser Urteil schon durchwachsen aus, denn das Programm kann bereits zünden, wenn die Aktie jährlich nur etwas mehr als 3 Prozent bringt. Auf Rang fünf folgt Adidas. Hier überzeugt, dass die Latte hoch liegt. Erst wenn die Adidas-Aktie jährlich mit mehr als 8 Prozent rentiert und die Wettbewerber übertrumpft, fließt zusätzliches Geld an die Manager. Der Schönheitsfehler bei Adidas ist, dass die Kosten nicht in der Gewinn und Verlustrechnung ausgewiesen werden.

Frage 6: Welche Unternehmen schneiden in Ihrem Vergleich schlecht ab?

Wilhelm: Die Deutsche Telekom, DaimlerChrysler und die Deutsche Bank belegen mit ihren Vergütungsprogrammen die hinteren Plätze. So entspricht das Optionsprogramm der Deutschen Telekom nicht den Interessen der Aktionäre. Die Optionen haben eine Laufzeit von 10 Jahren. Innerhalb dieser Zeit muss die T-Aktie mindestens 20 Prozent im Wert steigen, damit die Optionen ausgeübt werden können. Allerdings bedeuten 20 Prozent in 10 Jahren, dass bereits bei einer Rendite von weniger als 2 Prozent jährlich für die Begünstigten die Sektkorken knallen. Zudem vermissen wir, dass die Kursentwicklung der Telekom sich an einem repräsentativen Branchenindex misst. Auch weist die Telekom die Kosten nicht in der Gewinn und Verlustrechnung aus. Wir haben daher in der Hauptversammlung 2001 gegen das Programm gestimmt. Bedauerlicherweise haben der Bund sowie andere Großaktionäre das Programm gebilligt. Auch bei DaimlerChrysler ist die Latte mit weniger als 2 Prozent jährlich und dem fehlenden Konkurrenzvergleich unangemessen niedrig gelegt. DaimlerChrysler weist die Kosten leider nur teilweise in der Bilanz aus.

Frage 7: Und warum kritisieren Sie das Programm der Deutschen Bank?

Antwort: Die Aktie der Deutschen Bank misst sich nicht an ihren Wettbewerbern. Es ist damit möglich, dass die Manager der Deutschen Bank hohe zusätzliche Zahlungen erhalten, wenn die Aktie jährlich lediglich um etwas mehr als 3 Prozent steigt. Dies gilt auch dann, wenn die Aktien der meisten anderen Banken bessere Ergebnisse erzielen. Besonders kritisch stimmte uns, dass die Deutsche Bank ein so genanntes Repricing durchgeführt hatte. Als die Aktie der Deutschen Bank gefallen war und die Optionen mit hohen Bezugspreisen kaum einen Wert mehr hatten, konnten die Manager die nahezu wertlosen Optionen zurückgeben und erhielten neue attraktivere Optionen mit niedrigeren Bezugspreisen. Das ist gegenüber den Aktionären nicht fair. Denn während die Aktionäre den Kursrückgang der Aktie voll mitmachen mussten, wurde für die Manager der Rückschlag komfortabel abgefedert.