Das Urteil fiel bereits am 13. März dieses Jahres, doch erst jetzt hat der Bundesfinanzhof (BFH) es auf seiner Website veröffentlicht. Die Entscheidung hat es in sich: Im Ausland aufgelegte Fonds, die in Aktien deutscher Unternehmen investieren, haben über Jahre hinweg zu Unrecht Kapitalertragsteuern auf ausgeschüttete Dividenden gezahlt (Az. I R 1/20). Diese muss der deutsche Staat den Fonds – und letztlich den Anlegern – nun zurückzahlen. 

Steuererstattungen in Höhe von vier Milliarden Euro könnten auf den hiesigen Fiskus zukommen. Diese Summe hat die "Wirtschaftswoche" einer Einschätzung des Bundesrechnungshofs entnommen. Hinzu kommen Zinsen, die sich jährlich auf sechs Prozent belaufen. Das Geld wird an verschiedene im Ausland beheimatete Aktien- und Mischfonds fließen. Welcher Fonds Steuerrückzahlungen in welcher Höhe erhalten wird, muss das Hessische Finanzgericht zunächst klären. Sicher ist allerdings, dass auch deutsche Anleger, die in die betreffenden Sondervermögen investiert sind oder waren, mit Erstattungen rechnen dürfen.

Der Streitfall
Die Klage, die im März entschieden wurde, hatte ein in Frankreich ansässiger Investmentfonds beim Hessischen Finanzgericht eingereicht. Steuerexperten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG führten das Musterverfahren. Seine Klage begründete der Betreiber des französischen Fonds damit, dass deutsche Sondervermögen auf in Deutschland erzielte Dividenden keine Kapitalertragsteuer zahlen mussten, während ausländische Fonds mit 25 Prozent besteuert wurden. Die im deutschen Investmentsteuerrecht angelegte Ungleichbehandlung sei nicht zu rechtfertigen. Das Hessische Finanzgericht wies die Klage ab. Der BFH sah die Sache jedoch anders und entschied, dass eine solche Steuerpraxis gegen europäisches Recht verstößt. 

In der Tat mussten im Ausland aufgelegte Fonds zwischen 2004 und 2018 Kapitalertragsteuern auf Dividenden aus deutschen Aktien zahlen. Inländische Fonds waren davon hingegen befreit. Der Grund: Im Jahr 2004 trat das Investmentsteuergesetz in Kraft, das die ungleiche Besteuerung mit sich brachte. Mit dem Investmentsteuerreformgesetz, das seit Anfang 2018 Wirkung entfaltet, wurde damit Schluss gemacht. Seitdem haben deutsche Fonds bestimmte in Deutschland erzielte Erträge, darunter auch Dividenden, mit 15 Prozent zu versteuern. Anleger erhalten zum Ausgleich steuerliche Teilfreistellungen

Frist verjährt
Freuen dürfen sich nun Fondsgesellschaften, die bereits Erstattungsanträge gestellt haben. Der "Wirtschaftswoche" zufolge hatten viele Häuser dies immer wieder getan, aber nur selten Geld zurückbekommen. Unternehmen, die keine Anträge eingereicht haben, profitieren von dem BFH-Urteil nicht: Ein Anspruch auf Rückzahlung besteht grundsätzlich nur, wenn ein Erstattungsantrag innerhalb von vier Jahren nach der Dividendenzahlung eingereicht wird. Anleger von Fonds, die Rückzahlungen zu erwarten haben, müssen sich noch etwas gedulden. Bis das Hessische Finanzgericht die Ansprüche geklärt hat, dürften einige Monate vergehen. (am)