Die meisten Versicherer wollen den vereinbarten Versicherungsschutz bei Betriebsschließung (BSV) nicht für den Fall von Pandemien angewendet wissen, darunter auch die Allianz, die deswegen dem Bayerischen Kompromiss beigetreten war. Die Argumente der Anbieter sind dabei immer gleich: Gezahlt wird nur, wenn die zuständige Behörde den konkreten Betrieb wegen Corona-Fällen geschlossen hat und/oder Covid 19 als ganz neue Erkrankung in den AVB aufgelistet ist.

Doch die Allianz zahlt nicht, obwohl das Corona-Virus per Verordnung seit 1. Februar 2020 zu einem nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) meldepflichtigen Krankheitserreger erklärt worden ist. "Die finanziellen Einbußen sind nicht versichert, denn die Schließung der Betriebe erfolgte aus generalpräventiven Gründen", so ein Allianz-Sprecher. "Außerdem ist das Coronavirus ein neuer Krankheitserreger, der nicht unter die versicherten meldepflichtigen Krankheiten der BSV fällt", heißt es weiter.

Landgericht München I mit harter Linie gegen Versicherer
Diese Argumentation verfing allerdings vor dem Landgericht München I gegenüber der Versicherungskammer Bayern nicht (noch nicht rechtskräftig), die vergleichbare AVB wie die Allianz verwendet. Das Gericht stufte die AVB als intransparent ein und sprach dem klagenden Wirt eine Million Euro Entschädigung zu. Ihm sei es nicht zuzumuten, die Liste in den AVB mit jener des IfSG zu vergleichen, um herauszufinden, welche Krankheiten vom Schutz umfasst sind und welche womöglich nicht.

Die Allianz lief Gefahr, in einem Prozess vor demselben Gericht einem anderen Gastwirt 1,134 Millionen Euro wegen behördlich angeordneter Betriebsschließungen im Frühjahr erstatten zu müssen, kam dem Urteil jedoch durch einen Vergleich zuvor. Der Wirt des "Paulaner am Nockherberg" hatte die Allianz zuvor auf diese Summe verklagt, die Klage dann nach dem Vergleichsangebot des Versicherers noch vor Urteilsverkündung am 22. Oktober jedoch zurückgezogen.

Allianz: Änderungen oder Kündigung
Inzwischen hat die Allianz für die Zukunft reagiert. Mitte Oktober gab der Versicherer bekannt, die Bedingungen in seiner BSV zu ändern. Künftig soll der Schutz gegen eine generelle, behördlich verordnete Geschäftsunterbrechung wegen einer Pandemie wie Covid 19 ausgeschlossen sein.

Die bisherigen Policen seien relativ preiswert – oft unter 100 Euro im Jahr – und nicht für Pandemien gedacht, erklärte ein Allianz-Sprecher. Wollte man Pandemien mit absichern, müssten die Verträge sehr viel teurer sein. Kunden würden jetzt geänderte BSV-Verträge ohne Pandemieschutz angeboten. Stimmen sie diesen Änderungen nicht zu, würden die laufenden Verträge zum Ende der Laufzeit gekündigt.

Der Ausschluss von Pandemien/Epidemien soll bei der Allianz jetzt transparenter als bisher formuliert werden. Auch wolle man auf eine abschließende Auflistung der versicherten Krankheiten in den AVB verzichten. Damit sei dann in der geänderten BSV das Corona-Virus mitversichert, sofern der Betrieb aufgrund einer behördlichen Anordnung wegen eines Corona-Vorfalls im Betrieb schließen muss. Ähnliche Vertragsänderungen gibt es auch bei Axa, R+V, HDI, Signal Iduna, Basler und Münchener Verein.

Zweiter Lockdown als neuer Versicherungsfall
Doch was gilt im gegenwärtigen zweiten Lockdown? Der wird voraussichtlich zu einer zweiten Welle an versicherten Schäden in der BSV führen, schätzt Stephan Michaelis von der Kanzlei Michalis Rechtsanwälte: "Der erste im März eingetretene Versicherungsfall ist bei den meisten Betrieben abgeschlossen, nachdem diese zwischenzeitlich wieder öffnen durften und geöffnet hatten.“ Bei der erneuten behördlichen Anordnung der Betriebsschließung durch Allgemeinverfügung oder Rechtsverordnung handele es sich demnach um einen neuen Versicherungsfall, so der Fachanwalt für Versicherungsrecht weiter.

Dieser neue Schadenfall müsse dem BSV-Versicherer erneut gemeldet werden, rät Michaelis. Außerdem müsse der Versicherungsvertrag mit Eintritt des Schadenfalls am 2. November noch bestehen. Dies sei keine Selbstverständlichkeit, denn einige Versicherer hätten nach dem ersten Lockdown von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht.

Vergleich nur nach harten Kriterien wirksam
Soweit Firmen mit ihrem Versicherer keinen Vergleich geschlossen haben oder die Verträge nicht schon durch Kündigung wirksam beendet oder angepasst wurden, bestehen die Policen in vielen Fällen unverändert fort, bestätigt die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte. Doch selbst bei einem Vergleich sieht sie Hoffnung: Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass Versicherer nur dann wirksam Vergleiche schließen dürfen, wenn sie sich sehr redlich gegenüber ihrem Kunden verhalten und ihn unter anderem auf die mit dem Vergleich verbundenen Nachteile hinweisen.

"Wir haben jedoch bisher fast keinen Vergleichsvorschlag gesehen, der dieser Rechtsprechung ausreichend Rechnung trägt", sagt Tobias Strübing, Partner von Wirth Rechtsanwälte. Ansprüche sollten also unbedingt angemeldet werden, auch wenn schon beim ersten Lockdown die Ablehnung kam oder ein Vergleich geschlossen wurde, so der Fachanwalt für Versicherungsrecht.

Bei hohem Streitwert Prozesskosten finanzierbar?
Wer das Prozesskostenrisiko scheut und keine gewerbliche Rechtsschutzversicherung besitzt, kann womöglich auf einen Prozesskosten-Finanzierer hoffen. Anke Warlich, Rechtsanwältin bei Foris, bestätigt, dass man dort Fälle finanziere, in denen Gastronomen und Hoteliers sich gegen die Weigerung von BSV-Versicherern, Kunden für den Lockdown zu entschädigen, rechtlich zur Wehr setzen wollen. Üblicherweise ist bei Fortis ein Streitwert von mindestens 100.000 Euro nötig.

Nicht vergessen sei auch der Staat als möglicher Anspruchsgegner. "Erst die staatlichen Verordnungen haben zu den flächendeckenden Schließungen geführt", sagt Warlich. Es werde zu klären sein, inwieweit sich daraus Ansprüche auf eine Entschädigung ergeben. (dpo)