Die Europäische Kommission hat vor einiger Zeit ein weiteres für Finanzdienstleister wichtiges Großprojekt auf den Weg gebracht: die Überarbeitung der in der europäischen Mehrwertsteuer-Richtlinie (2006/112/EG) enthaltenen Vorschriften für Versicherungs- und Finanzdienstleistungen. Daher hatte die Kommission eine Konsultation gestartet, die kürzlich endete. Im vierten Quartal 2021 möchte Brüssel basierend auf der Konsultation Vorschläge für die Änderungen der Richtlinie vorlegen. Darauf macht der AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen in einer Pressemitteilung aufmerksam – und stellt auch eigene Forderungen auf. Denn die bisherigen Pläne der EU-Kommission könnten sogar die Abschaffung der Mehrwertsteuerbefreiung von Vermittlerprovisionen bedeuten.

Der Grund für diesen Schritt ist, dass das System für die Besteuerung der genannten Services nach Ansicht der Kommission zu komplex ist. Das verwundert zunächst, denn aktuell sind die meisten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen von der Mehrwertsteuer befreit. In der Praxis führt dies aber zu einer Reihe von Problemen, die letztlich auch die Kunden treffen. 

Kein Recht auf Vorsteuerabzug
Die Wirtschafts- und Steuerberatungsgesellschaft BDO nennt dafür in einem Internetbeitrag ein Beispiel: Ein Nebeneffekt der Befreiung von der Mehrwertsteuer ist, dass die Finanzdienstleister kein oder nur ein eingeschränktes Recht auf den sogenannten Vorsteuerabzug besitzen. Der Vorsteuerabzug bezeichnet das Recht eines Unternehmers, die von einem Lieferanten oder Servicedienstleister in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer mit der selbst vereinnahmten Umsatzsteuer zu verrechnen. Versicherer oder Asset Manager müssen aufgrund der Mehrwertsteuerbefreiung ihrer Services auf selbst eingekaufte Dienstleistungen Steuern entrichten. Das wiederum führe oftmals dazu, dass sie diese Kosten auf Kunden abwälzen.

Ein anderes Problem ist BDO zufolge, dass die Vorschriften beziehungsweise die Ausnahmen von der Mehrwertsteuer EU-weit nicht immer einheitlich angewendet werden. Das führt zu Verzerrungen innerhalb der Europäischen Union und zu Rechtsunsicherheiten, was sich auch an den zahlreichen Gerichtsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof im Bereich der Mehrwertsteuer zeige. 

Kommission will Vorschriften vereinfachen
Für diese Probleme möchte die EU-Kommission Abhilfe schaffen. Zur Diskussion stehen laut BDO drei Vorschläge: zum einen die Abschaffung der Steuerbefreiung – etwa auch der für Vermittlerprovisionen –, zum anderen deren Beibehaltung, jedoch mit Änderung ihres Anwendungsbereiches. So könnten nur bestimmte Arten von Dienstleistungen besteuert werden. Und drittens schlägt die Kommission ein einheitliches Modell für eine Kostenverteilungsregelung für den Finanz- und Versicherungssektor im Binnenmarkt vor. 

Der AfW hat in dem Konsultationsverfahren mit Unterstützung seines steuerpolitischen Beraters Daniel Ziska von der GPC Tax Berlin im Wesentlichen folgende Positionen vertreten: 

  • Die bisherigen Steuerbefreiungen müssen mindestens im bisherigen Umfang erhalten bleiben.
  • Um das System zu vereinfachen, wäre eine Steuerbefreiung mit gleichzeitigem Vorsteuerabzug, so wie man sie bei bestimmten exportorientierten Umsätzen kennt, das Beste.
  • Auch die Beratung zu Finanzprodukten sowie die Verwaltung von Finanz- und Versicherungsprodukten müssen von der Steuer befreit werden, um aufwendige Abgrenzungsprobleme zu lösen.
  • Wenn sich Unternehmen Kosten teilen, darf dies nicht zu einer Umsatzsteuerbelastung führen.
  • Die umsatzsteuerliche Organschaft (Umsatzsteuergruppe), welche die Umsatzsteuer zwischen den einzelnen Gesellschaften eliminiert, muss auch länderübergreifend möglich sein.

Thema weiter begleiten
"Es gibt Chancen für Verbesserungen, aber genauso besteht die Gefahr, dass die Vorschriften verschärft werden, und was heute steuerfrei ist, morgen steuerpflichtig werden könnte. Wir werden das Thema weiter aktiv begleiten", sagt Norman Wirth, Geschäftsführender Vorstand des AfW. (jb)