Florian Toncar (FDP) ist seit Dezember 2021 Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Eines seiner wichtigsten Projekte ist es, die geförderte private Altersvorsorge grundlegend zu reformieren. In Kürze soll der Referentenentwurf für ein entsprechendes Gesetz fertig sein. Was der Entwurf im Kern vorsehen wird, hat Toncar FONDS professionell ONLINE bei einem Interview in seinem Berliner Büro verraten.


Herr Toncar, es ist gut ein Jahr her, dass die von der Bundesregierung installierte Fokusgruppe Vorschläge für eine Reform der geförderten privaten Altersvorsorge vorgelegt hat. Seitdem arbeitet das Bundesministerium der Finanzen an einem Gesetzentwurf zur Umsetzung der Empfehlungen. Wann ist mit einem Referentenentwurf zu rechnen? 

Florian Toncar: Schon sehr bald, die Vorbereitungen sind weit gediehen, der Entwurf ist in großen Teilen fertig. Es bedarf zwar noch der einen oder anderen Abstimmung, aber wir haben fest vor, den Referentenentwurf im Spätsommer zu veröffentlichen. 

Der Kernpunkt der Reform soll ein Altersvorsorgedepot sein. Können Sie etwas genauer erläutern, wie es ausgestaltet werden soll?

Toncar: Die wesentliche Neuerung besteht darin, dass wir in der geförderten privaten Altersvorsorge ein neues Produkt einführen möchten. Es wird den Sparern höhere Renditechancen eröffnen, damit sie ihre Altersvorsorge aufbessern können. Um höhere Renditen zu ermöglichen, wird auf Beitragsgarantien verzichtet. Ein Altersvorsorgevertrag muss bis zum Rentenbeginn getrennt vom übrigen Vermögen geführt werden, um förderfähig zu sein. Wie bei den Riester-Produkten sehen wir eine Förderung in Form von Zulagen sowie einer steuerlichen Abzugsfähigkeit von Sonderausgaben für geleistete Beiträge zur privaten Altersvorsorge vor. Darüber hinaus profitieren die Sparer davon, dass die Erträge aus den Vorsorgeprodukten nicht jedes Jahr während der Ansparphase versteuert werden, sondern erst in der Auszahlungsphase. Die Vorsorgesparer können so einen "Zinseszinseffekt" für sich nutzen.

Lassen Sie uns später noch genauer auf die Förderung eingehen. Zunächst einmal: Welche Anlageprodukte dürfen denn für das Altersvorsorgedepot gewählt werden?

Toncar: Im Gesetz wird sich eine Liste von Wertpapieren finden, die für das Altersvorsorgedepot in Frage kommen. Grundsätzlich werden das Finanzprodukte sein, die für Verbraucher geeignet sind. In erster Linie also gemanagte Fonds und ETFs, sofern sie keine riskanten, exotischen Investments tätigen oder in absoluten Nischen anlegen, sowie entsprechende Sparpläne. 

Müssen die Finanzprodukte speziell zertifiziert werden?

Toncar: Richtig, alle neuen Altersvorsorgeverträge müssen zertifiziert werden, bevor sie an den Start gehen können. Neben dem Altersvorsorgedepot werden wir auch künftig das Angebot sogenannter Garantieprodukte mit unterschiedlichen Garantieniveaus ermöglichen.

Und welchen Vorgaben muss das Produkt Altersvorsorgedepot gerecht werden, um die Zertifizierung zu erhalten?

Toncar: Geprüft werden bestimmte formale Voraussetzungen. So muss zum Beispiel sichergestellt sein, dass das Depot tatsächlich bis zum Rentenalter getrennt vom sonstigen Vermögen bleibt. Der Anbieter hat auch dafür Sorge zu tragen, dass für ein Altersvorsorgedepot nur die gesetzlich zugelassenen Anlagen gewählt werden können. Wie erfolgreich ein solches Vorsorgedepot anlegt, ist natürlich nicht Gegenstand der Prüfung. Wir wollen auch keineswegs einzelne Anbieter ausschließen. Im Gegenteil, wir wünschen uns einen intensiven Wettbewerb. Davon erwarten wir uns, dass die Kosten für die private Altersvorsorge attraktiver werden.

Wer wird die Zertifizierung der Altersvorsorgedepots vornehmen?

Toncar: Das wird wie schon bei den Riester-Produkten die Zertifizierungsstelle beim Bundeszentralamt für Steuern machen. Im Grunde wird es der gleiche Prozess sein, nur für eine neue Produktgattung.

Das Deutsche Aktieninstitut und die Deutsche Wertpapierservice Bank haben in einer gemeinsamen Studie Altersvorsorgedepots analysiert, die in Australien, Frankreich, Irland, Kanada und den USA angeboten werden. Daraus haben die Studienautoren Empfehlungen für ein deutsches Altersvorsorgedepot abgeleitet. So schlagen sie etwa eine Mindestaktienquote vor. Werden Sie eine solche Quote einziehen?

Toncar: Eine solche Vorgabe planen wir nicht, obwohl es natürlich zutrifft, dass eine hohe Aktienquote sinnvoll ist. Allerdings könnte man trefflich darüber streiten, wie hoch eine solche Quote denn sein soll. Für einen jungen Sparer müsste sie sicher höher liegen als für einen, der sich erst in späteren Jahren für ein Altersvorsorgedepot entscheidet. Vor allem aber soll das neue Produkt mit zunehmendem Lebensalter in weniger volatile Wertpapiere umgeschichtet werden dürfen. In der Auszahlungsphase ist ohnehin noch einmal neu zu überlegen, wie das Geld im Depot angelegt werden soll, sofern der Inhaber es weiterführen möchte. Sie sehen, da gibt es keine Formel, die für alle passt, daher werden wir keine feste Aktienquote vorgeben. 

In anderen Ländern gibt es für Altersvorsorgedepots Standardprodukte, die in der Regel zu Beginn der Sparphase einen hohen Aktienanteil vorsehen, der bis zum Erreichen des Rentenalters automatisch reduziert wird. Planen Sie solche Produkte auch?

Toncar: Wir überlegen derzeit noch, ob wir in dieser Hinsicht gewisse Leitplanken setzen können. Aber das sollte nicht dazu führen, dass die Produkte komplett vereinheitlicht werden.

Lassen Sie uns zur staatlichen Förderung kommen. Können Sie schon sagen, was genau geplant ist und wie hoch die Förderung ausfallen soll?

Toncar: Dazu laufen noch letzte Abstimmungen in der Regierung. Wir wollen Bürgern mit geringen und mittleren Einkommen, mit Kindern attraktive Zulagen bieten. Gleichzeitig sollen Einzahlungen in das Altersvorsorgedepot bis zu einem Höchstbetrag steuerlich absetzbar sein. Bei Riester liegt dieser Betrag zurzeit bei 2.100 Euro. Doch da kann er nicht bleiben, wir werden ihn anheben. Zudem wollen wir eine Empfehlung der Fokusgruppe Altersvorsorge für Berufseinsteiger umsetzen.

Welche?

Toncar: Berufseinsteiger bekommen heute einen einmaligen Bonus von 200 Euro, wenn sie beginnen, staatlich gefördert für ihren Ruhestand zu sparen. Künftig sollen sie den Bonus in den ersten drei Berufsjahren erhalten. Junge Leute haben einen langen Anlagehorizont, gleichzeitig ist die eigene Rente aber noch weit weg. Wir möchten mit dem Bonus junge Menschen schon frühzeitig mit dem Thema Altersvorsorge in Verbindung bringen und ihnen klar machen, dass man auch mit geringen Beiträgen etwas aufbauen kann.

Sie haben schon mehrmals die Riester-Produkte angesprochen. Was wird damit geschehen, wenn das Altersvorsorgedepot einmal da ist?

Toncar: Für bestehende Riester-Verträge gilt ein Bestandsschutz. Jeder Sparer kann künftig das für sie oder ihn passende Produkt frei auswählen. Folglich können die Sparer entweder die Riester-Altverträge weiter besparen. Oder sie suchen sich aus den künftigen Versicherungsprodukten mit einer Garantie von 80 Prozent oder 100 Prozent auf die geleisteten Einzahlungen und Zulagen ein Produkt aus. Die Vorsorgesparer können sich natürlich auch für das Altersvorsorgedepot entscheiden.

Sie sagen, die Reform verzichtet nicht komplett auf Garantieprodukte?

Toncar: Nein, wie beschrieben haben wir zum einen das Altersvorsorgedepot. Dem Depot gleichgestellt sind fondsgebundene Rentenversicherungen ohne Garantien. Daneben wird es Versicherungsprodukte mit 80- oder 100-prozentigen Garantien geben, die den heutigen Riester-Verträgen ähneln, aber nicht mehr mit Zusatzelementen wie Hinterbliebenenrente oder Berufsunfähigkeitsversicherung versehen werden können. Sie sollen auf die Altersvorsorge ausgerichtet sein. Die stärkere Standardisierung soll die Produkte besser vergleichbar machen. Alle diese Varianten werden zu gleichen Bedingungen gefördert, denn wir möchten möglichst für jede Lebenslage und Präferenz das passende Altersvorsorgeprodukt vorhalten.

Werfen wir einen Blick auf die Anbieter. Welchen Unternehmen soll es erlaubt sein, die Altersvorsorgedepots auf den Markt zu bringen?

Toncar: Jedes Unternehmen, das berechtigt ist, Depots zu führen und zu verwalten, kann auch das Altersvorsorgedepot anbieten. Damit sind es also Banken, die meisten Neobroker und auch Versicherer, wenn sie Fondspolicen ohne Garantien in ihrer Produktpalette haben. 

Ist auch geplant, dass freie Finanzanlagenvermittler und Versicherungsmakler ihren Kunden die Altersvorsorgedepots anbieten dürfen?

Toncar: Natürlich! Wir wollen mit dem Altersvorsorgedepots möglichst viele erreichen. Gerade auch diejenigen, die keine oder wenig Erfahrung mit Kapitalmarktanlagen haben. Nicht selten muss ja ein Berater erst einmal darauf aufmerksam machen, dass bei jemandem eine Lücke in der eigenen Altersvorsorge besteht. Andere brauchen vielleicht einen Berater, der ihnen erklärt, wo die Unterschiede zwischen einem Garantieprodukt und einem ETF liegen, oder zwischen Verrentung und Auszahlungsplan. Beratung wird auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen. 

Aus welchen Gründen?

Toncar: Wir werden in der Auszahlungsphase mehr Flexibilität zulassen. Anleger sollen sich für eine lebenslange Leibrente entscheiden können wie bisher. Daneben hat die Fokusgruppe empfohlen, auch Auszahlungspläne zuzulassen, sofern diese Zahlungen bis zum 85. Lebensjahr gewährleisten. Ich halte das für sinnvoll. Die immobilienbezogene Nutzung des Kapitals wird in jedem Fall nach wie vor möglich sein. Das heißt, das angesparte Geld darf auch dafür eingesetzt werden, eine Immobilie zu sanieren oder eine Restschuld zu tilgen. Da es also im Übergang von der Anspar- in die Auszahlungsphase mehr Optionen und Wechselmöglichkeiten geben wird, dürfte Beratung eine weiterhin wichtige Rolle spielen. 

Und wie sieht der Zeitplan für die Reform der privaten Altersvorsorge aus? Kann sie noch in dieser Legislaturperiode umgesetzt werden?

Toncar: Das ist definitiv unser Ziel. Wir möchten mit dem Entwurf noch vor Weihnachten den Bundesrat befassen und anschließend auch im Bundestag möglichst zeitnah eine erste Lesung erreichen. Und dann liegt das Heft des Handelns beim Parlament. Nicht zu vergessen ist auch, dass es sich um ein zustimmungspflichtiges Gesetz handelt, bei dem die Bundesländer einbezogen werden müssen. Aber ich glaube, dass sowohl im Bundestag als auch in den Bundesländern jeder weiß, dass dieses Thema keinen Aufschub duldet. Allen sollte klar sein, was für eine große Chance wir jetzt haben, die Altersversorgung zu reformieren. 

Vielen Dank für das Gespräch. (am)