Anlageberater sollten sich bei der Auswahl von Öko- oder Ethikfonds keinesfalls ausschließlich auf die Quote nachhaltiger Investitionen im Portfolio konzentrieren. "Wegen der unterschiedlichen Berechnungsmethoden sagt diese Quote allein nichts darüber aus, ob der Fonds eine ambitionierte Nachhaltigkeitsstrategie verfolgt oder nicht", sagt Magdalena Kuper, Leiterin Nachhaltigkeit beim deutschen Branchenverband BVI, im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE.

Ihre Mahnung erfolgt vor dem Hintergrund neuer Gesetzesvorgaben: Ab dem 2. August müssen Anlageberater die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kunden ermitteln und diese bei der Fondsauswahl berücksichtigen.

Die entsprechende Ergänzung der Mifid-II-Richtlinie führt dazu drei Kategorien von Produkten ein, die für Anleger mit Nachhaltigkeitspräferenzen geeignet sein können. Sie können einen Mindestanteil an nachhaltigen Investitionen vorsehen – entweder gemäß der Umwelttaxonomie oder im Sinne der EU-Offenlegungsverordnung – oder "nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren" (Principal Adverse Impacts, PAIs) berücksichtigen (nähere Erläuterungen finden Sie hier).

Anbieter arbeiten notgedrungen mit hauseigenen Konzepten
"Auf absehbare Zeit werden sich nur sehr wenige Fonds zu einer Anlagestrategie verpflichten können, die einen Mindestanteil taxonomiekonformer Investitionen vorsieht", erwartet Kuper. "Denn die EU-Taxonomie steht erst am Anfang und bietet für ein breit gestreutes Portfolio noch zu wenige Anlagemöglichkeiten." Außerdem fehlten bisher verlässliche Daten, um die Erfüllung der technischen Kriterien der Taxonomie bewerten zu können. "Auf Näherungswerte oder Schätzungen dürfen Fonds nicht zurückgreifen, weil der Gesetzgeber nur direkt vom Unternehmen gemeldete oder gleichwertige Daten als Bewertungsmaßstab erlaubt", betont die Juristin. Sie erwartet, dass es sich bei den Sondervermögen, die sich an der Taxonomie orientieren, anfangs vor allem um Themenfonds handeln wird, etwa mit Fokus auf die Erneuerbare-Energien-Branche.

Viele Fonds wählen daher den zweiten möglichen Ansatz und orientieren sich an der Offenlegungsverordnung. "Hier ist vieles regulatorisch erst in Ansätzen definiert. Offen ist zum Beispiel, wie der Beitrag zu einem ökologischen oder sozialen Ziel bemessen wird", sagt Kuper. Mangels klarer Vorgaben müssten die Fondsgesellschaften jeweils eigene Konzepte entwickeln, die sehr unterschiedlich ausfallen könnten. "Viele orientieren sich an den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen, es gibt aber auch andere Ansätze", so die BVI-Expertin.

Baugleiche Fonds, unterschiedliche Quoten
Noch offensichtlicher wird die Uneinigkeit in der Branche bei der Frage, wie der Anteil der nachhaltigen Investitionen im Portfolio berechnet wird. Einige berücksichtigen für jedes Unternehmen nur den Umsatz aus nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten, so wie das auch die Taxonomie vorsieht ("aktivitätenbasierter Ansatz" genannt). "Andere stufen die gesamte Investition als nachhaltig ein, wenn der Umsatz eines Unternehmens aus nachhaltigen Aktivitäten über einer bestimmten Schwelle liegt, also beispielsweise 20 oder 50 Prozent überschreitet", berichtet Kuper. In diesem Fall ist von einem "entitätenbasierten Ansatz" die Rede. Wichtig: "Beide Berechnungsmethoden stehen im Einklang mit dem EU-Recht, da dieses keine Methodik vorgibt", sagt Kuper.

Ein Beispiel: Ein Unternehmen, dessen Aktie fünf Prozent des Portfolios ausmacht, erwirtschaftet die Hälfte seiner Umsätze aus nachhaltigen Geschäftsfeldern. "Aktivitätenbasiert" würde diese Firma nur 2,5 Prozentpunkte zur Gesamtquote der nachhaltigen Investitionen beisteuern, "entitätenbasiert" dagegen fünf Prozentpunkte. "Im Ergebnis kann der Anteil der nachhaltigen Investitionen zweier Fonds ganz unterschiedlich ausfallen, selbst wenn beide Manager de facto das gleiche Portfolio aufgebaut haben", sagt Kuper. "Das zu erkennen und den Kunden zu vermitteln, ist eine echte Herausforderung für den Vertrieb."

Welcher Ansatz entspricht dem Anlegerwunsch wirklich?
Auch für das dritte Produktmerkmal, die PAI-Berücksichtigung, gibt die Regulierung keine Richtung vor. "Ein Fonds kann sein Portfolio von vornherein 'sauber' halten, indem er PAI-bezogene Ausschlüsse vorsieht, also beispielsweise nicht in Unternehmen mit hohen Treibhausgasemissionen investiert", so Kuper. "Er kann solche 'ESG-Nachzügler' aber auch bewusst im Portfolio belassen und bei den Unternehmen darauf hinwirken, die Emissionen zu senken." Oft seien diese beiden Ansätze auch in Kombination anzutreffen.

Die Aufgabe des Beraters sei es, solche Unterschiede zu erkennen und zu überprüfen, welches Konzept dem Anlegerwunsch tatsächlich entspricht. Ein kurzer Blick auf die Mindestquote oder die Einstufung gemäß Zielmarktkonzept reicht dafür nicht aus. Kuper rät, weitere Informationen einzubeziehen: "In aller Regel veröffentlichen die Investmentgesellschaften auf ihren Internetseiten, welche ESG-Konzepte und Messmethoden sie für einzelne Fonds und auch produktübergreifend anwenden", sagt sie. (bm)