Das Finale kam am 21. Juni: Der "ewige Widerrufskoker" ist laut Beschluss des Bundeskabinetts von Ende Januar Geschichte. Immobilien-Darlehensverträge, die zwischen September 2002 und Juni 2010 geschlossen wurden und fehlerhafte Widerrufsbelehrungen enthalten, können nun nicht mehr unter Verweis auf letztere beendet werden – oder doch? Rechtsanwalt Jens Reichow von der Hamburger Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte ist anderer Ansicht. Seiner Meinung nach können bestimmte Darlehen weiterhin widerrufen werden, wie er im folgenden Originalbeitrag ausführt. (jb)



Der Gesetzgeber hat durch die Einführung des Artikels 229 Paragraf 38 Absatz 3 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB) die Möglichkeit für Darlehensnehmer begrenzt, ihre alten Darlehensverträge zu widerrufen. Gleichwohl ist ein Widerruf von Darlehensverträgen jedoch in vielen Fällen noch möglich. Man muss dabei folgende Fallgruppen unterscheiden:  

Vertragsabschluss vor dem 1. September 2002
Die gesetzliche Änderung betrifft nicht die vor dem 1. September 2002 geschlossenen Verträge. Für diese ist auch nach dem 21. Juni 2016 ein Widerruf möglich, wenn ein Widerrufsrecht denn überhaupt bestand. Bei den entsprechenden Verträgen ist Letzteres meist problematisch. Gleichwohl lohnt sich eine Überprüfung. Gerade, wenn ein Haustürgeschäft vorliegt, könnte der Kunde noch über ein Widerrufsrecht verfügen und dieses ausüben.

Vertragsschluss zwischen 1. September 2002 und 10. Juni 2010
Von der gesetzlichen Neugestaltung erfasst sind unmittelbar die zwischen dem 1. September 2002 und 10. Juni 2010 abgeschlossenen Darlehensverträgen. Aber auch hier bestehen gegebenenfalls Möglichkeiten auch solche Verträge noch nach dem 21. Juni dieses Jahres zu widerrufen.

Eine Ausnahme eröffnet der oben erwähnte Artikel des EGBGB selbst, nämlich für in einer "Haustürsituation" abgeschlossene Verträge. Für diese gilt die Frist vom 21. Juni 2016 nämlich gerade nicht. Ein Widerruf ist damit noch möglich.

Aber auch für alle anderen Darlehensverträge ist ein Widerruf nicht ohne Weiteres ausgeschlossen. Es werden nämlich bereits erste Stimmen in der Anwaltschaft laut, welche Bedenken an der Vereinbarkeit der gesetzlichen Regelung mit den Bestimmungen des Grundgesetzes äußern. Sollten diese Bedenken berechtigt sein und die gesetzliche Regelung mit dem Grundgesetz unvereinbar, so könnte dies zur Unwirksamkeit der gesetzlichen Frist vom 21. Juni 2016 führen. Ein Widerruf wäre auch dann noch möglich, wenngleich ein entsprechendes Verfahren sicherlich sehr langwierig wäre.

Vertragsschluss nach dem 10. Juni 2010
Nicht erfasst von der gesetzlichen Regelung sind auch alle nach dem 10. Juni 2010 abgeschlossenen Darlehensverträge. Diese können daher bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung noch widerrufen werden.

Schlussendlich bleibt es daher auch nach dem 21. Juni 2016 dabei, dass Darlehensnehmer ihre Darlehensverträge und die darin enthaltenen Widerrufsbelehrungen einer individuellen Überprüfung unterziehen lassen sollten.