Die Kapitalmarktunion (KMU) steht schon seit fast einem Jahrzehnt auf der Wunschliste Brüssels. Die Europäische Union sieht darin einen Weg, den EU-Binnenmarkt zu vertiefen und Investitionen und Wachstum zu vermehren. Doch das Projekt scheiterte immer wieder an nationalen Interessen oder an der höheren Dringlichkeit anderer Themen und Krisen.

Jetzt werden die Rufe lauter, das Vorhaben rasch durchzuziehen. Zum einen geht es darum, privates Kapital für die Klimawende zu mobilisieren, zum anderen will man noch vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni einen Durchbruch erreichen, da dort Parteien zulegen dürften, die eine stärkere Integration eher skeptisch sehen.

Eindringliche Warnung von Lagarde
Keine Geringere als Christine Lagarde hat sich zuletzt für die KMU in die Bresche geworfen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos bezeichnete die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Binnenmarkt und KMU als beste Absicherungen gegen mögliche wirtschaftliche Störungen durch eine weitere Trump-Präsidentschaft.

In dem Entwurf einer Erklärung der EU-Finanzminister, den "Bloomberg" einsehen konnte, heißt es dazu: "Wenn die Entwicklung der europäischen Kapitalmärkte nicht dringend in Angriff genommen wird, besteht die Gefahr, dass Europa in Bezug auf Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Wohlstand seiner Bürger weltweit zurückfällt."

Bei einem informellen Treffen der Minister diese Woche geht es unter anderem um die Architektur der Kapitalströme, die Finanzierung von Unternehmen und besseren Zugang zu Spar- und Vorsorgeprodukten für Verbraucher.

Europäische Börsenaufsicht nach US-Vorbild
Ein Schlüsselelement, das Lagarde besonders betonte, ist die Schaffung einer europäischen Version der US-amerikanischen Börsenaufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) anstelle des derzeitigen Flickenteppichs nationaler Marktaufseher. Ein weiteres Ziel ist es, Unternehmen eine größere Auswahl an Finanzierungsquellen zu erschließen, damit sie nicht auf ausländische Märkte wie die USA angewiesen sind.

Auch Bundesbankpräsident Joachim Nagel und die deutsche EZB-Direktorin Isabel Schnabel haben sich zuletzt für einen neuen Vorstoß in Sachen KMU ausgesprochen. Das Thema steht auf der Tagesordnung des informellen Treffens der Finanzminister ab Freitag (23.2.) im belgischen Gent. (mb/Bloomberg)