Fondsgesellschaften sollten sich der neuen Regelungen zur Liquiditätssteuerung und -sicherung so schnell wie möglich bedienen. Diese Auffassung vertritt die Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht und Vizepräsidentin der Bafin, Elisabeth Rogele. "Wir haben durchaus die Erwartung, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften sich zügig und ernsthaft mit der Frage beschäftigen, ob und welche der neuen Maßnahmen zur Liquiditätssteuerung sie einsetzen", sagte Roegele FONDS professionell ONLINE.

Die Instrumente erlauben es Kapitalverwaltungsgesellschaften (KVGen), die Liquidität ihrer Fonds besser zu steuern und sie auf diese Weise für den Ernstfall hoher Mittelabflüsse stabiler aufzustellen. Bei den neuen Liquiditätstools handelt es sich um Rücknahmefristen (Redemption Notices) von bis zu einem Monat und um Beschränkungen, die greifen, sobald die von Anlegern gewünschten Rückgaben einen bestimmten Schwellenwert erreichen (Redemption Gates). Mit dem dritten Tool, dem "Swing Pricing", können KVGen den Nettoinventarwert (NAV) eines Fonds berechnen und damit den Anteilspreis anpassen, um Mittelabflüsse zu steuern (lesen Sie hierzu auch den Kommentar von FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch).

Der Gesetzgeber hat die Regelungen am 27. März 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht und damit im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) festgeschrieben. Die Maßnahmen sind am 28. März in Kraft getreten. Die neu geschaffenen Maßnahmen gelten für in Deutschland aufgelegte Wertpapier-Publikumsfonds (OGAW) und gemischte Investmentvermögen. Im Unterschied zu den im Sommer 2013 für Offene Immobilienfonds eingeführten Rückgabefristen sind die Regelungen jedoch nicht gesetzlich bindend. KVGen ist es stattdessen freigestellt, sie zu nutzen, oder nicht.

Anlagebedingungen und Verkaufsprospekte anpassen
Fondsanbieter, die eines der Tools oder alle anwenden möchten, müssen die Maßnahmen in den Anlagebedingungen und den Verkaufsprospekten der betreffenden Portfolios festschreiben. "Die Bafin steht in engem Kontakt mit dem deutschen Fondsverband BVI, den depotführenden Stellen und den Verwahrstellen. In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe entwickeln wir derzeit Muster, etwa für Anlagebedingungen", erklärt Roegele.

Deutlich aufwendiger als die Anpassung der Dokumente gestaltet sich allerdings die technische Implementierung der Liquiditätstools. Dafür müssen etwa die depotführenden Stellen, die Verwahrstellen und sowie der Vertrieb mit ins Boot genommen werden. Schließlich sind neue technische Prozesse notwendig, damit zum Beispiel Rücknahmebeschränkungen in der Praxis auch umgesetzt werden können, sobald ein bestimmter Schwellenwert erreicht ist. Eine möglichst kurzfristige Implementierung sei jedoch sinnvoll, auch im Hinblick auf die nicht auszuschließenden negativen langfristigen Auswirkungen der Corona-Epidemie auf die Finanzmärkte, mahnt Roegele.

Keine Wettbewerbsnachteile
Einen Nachteil für Fondsanbieter, welche die neuen Instrumente nutzen, gegenüber Gesellschaften, die auf den Einsatz der Liquiditätstools verzichten, sieht die Bafin-Vizepräsidentin nicht. "Wer der Ansicht ist, dass beispielsweise Rücknahmebeschränkungen ein Wettbewerbsnachteil sein könnten, denkt nicht weit genug", sagt sie. "Spätestens, wenn es zu hohen Mittelabflüssen kommt, ist ein Fonds mit einer Beschränkung immerhin im Vorteil gegenüber einem Portfolio, das in dieser Situation geschlossen werden muss", erklärt Roegele. (am)