Die Ende Mai von der EU-Kommission vorgelegte Retail Investment Strategy, die zu Deutsch als Kleinanlegerstrategie bezeichnet wird, befindet sich aktuell in den Beratungen von Europäischem Parlament und EU-Rat. "Es besteht die Absicht, eine grundsätzliche politische Einigung noch bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024 zu erzielen", sagte Bernhard Gause, geschäftsführender Vorstand des Bundesverbandes Deutscher Versicherungsmakler (BDVM), am Donnerstag (5.10.) auf der traditionellen Jahrespressekonferenz des Verbandes in Hamburg.

Nach der Erarbeitung und Verhandlung technischer Details könnte das Gesetzespaket dann zum Jahreswechsel 2024/2025 verabschiedet werden. "Dazu müsste die Richtlinie bis April 2024 beschlossen sein", so der mit Regulierungsfragen seit vielen Jahren befasste BDVM-Chef. Das Paket soll eine faire Behandlung von Privatpersonen sicherstellen und so Investitionen an den Kapitalmärkten fördern. Im Vorfeld war hierzu intensiv über die Einführung eines generellen Provisionsverbotes diskutiert worden. "Es ist zu begrüßen, dass hiervon abgesehen wurde, ist die Honorarberatung doch für einkommensschwächere Bevölkerungskreise schlicht zu teuer", betonte Gause.

Transparente Provisionsberatung ist bester Verbraucherschutz
Die negativen Erfahrungen in England und auch in den Niederlanden, über die auch Roger van der Linden, Präsident des niederländischen Maklerverbandes ADFIZ, auf einem BDVM-Symposium im Juni in Berlin berichtete, sprächen für sich. "Eine transparente Provisionsberatung bedeutet Verbraucherschutz", so Gause weiter. Insbesondere das partielle Provisionsverbot bei "unabhängiger Beratung" im Richtlinienentwurf habe eine breite Diskussion verursacht, auch unter Vermittlerverbänden. Einerseits wird darin ein europarechtswidriges Provisionsverbot für Makler mit Verweis auf seinen Status als "unabhängig" gesehen. Andererseits wird die Vorschrift so interpretiert, dass bei der Beratung lediglich darauf hingewiesen werden muss, dass die Beratung auf Provisionsbasis und daher "nicht unabhängig" erfolgt.

Dass mit der Vorschrift gar nicht beabsichtigt war, ein Provisionsverbot für Makler einzuführen, hatte die EU-Kommission durch Nico Spiegel, Legal and Policy Officer, DG FISMA, auf dem BDVM-Symposium bestätigt, erinnerte Gause. Auch die einleitenden Ausführungen in der Kleinanlegerstrategie selbst legten dies nahe. O-Ton auf Seite 16: "Vermittler, die nicht angestellt oder vertraglich an ein Versicherungsunternehmen gebunden sind, aber Provisionen erhalten, sollen nicht davon abgehalten werden, sich als vertraglich ungebunden darzustellen."

Unnötig komplizierte Regelungen zur Unabhängigkeit vermeiden
Um aber ein höheres Maß an Rechtssicherheit zu erlangen, sollte laut Gause zum einen die Klarstellung aus den einleitenden Ausführungen in den Rechtstext der Kleinanlegerstrategie überführt werden, zumindest in die Erwägungsgründe. Zum anderen sollte – anstelle der vorgesehenen weiteren Ausgestaltung der Thematik durch den Erlass delegierter Rechtsakte durch die EU-Kommission – eine Regelung eingeführt werden, die den Mitgliedstaaten Spielraum lässt, für die Umsetzung des Konzepts "unabhängige Beratung" einen pragmatischen Weg zu finden.

"Es bleibt wenig glücklich, dass der persönlich unabhängige Makler die Beratung in einem speziellen Teilsegment der Versicherungsanlageprodukte als 'abhängig' bezeichnen muss, denn Transparenz über das Vermittlungsentgelt hätte völlig ausgereicht", kritisiert Gause. Dadurch spiele der Richtlinienentwurf mit der Unabhängigkeit von Versicherungsmaklern und schaffe unnötige Verwirrung bei Verbrauchern.

Wettbewerbsverzerrungen vermeiden
Schwer nachzuvollziehen sei auch das Verbot, beim Vertrieb ohne Beratung, aber der Durchführung einer Angemessenheitsprüfung (Artikel 30 Absatz 2 IDD), die mit dem Gesetzespaket zudem noch auf die Aspekte "Verlusttragungs-Fähigkeit" und "Risikotoleranz" ausgeweitet wird, keine Provision erhalten zu dürfen. Für den Wertpapierbereich enthält das Gesetzespaket keine derartige Vorschrift, sie wäre daher zudem wettbewerbsverzerrend.

Im Rahmen eines Best-Interest-Tests sollen Versicherungsvermittler im Richtlinienvorschlag dazu verpflichtet werden, aus einer angemessenen Palette von Versicherungsanlageprodukten das kosteneffizienteste Produkt anzubieten. Damit dadurch nicht der Fokus allein auf den Aspekt Kosten gelegt wird, sollte im Rechtstext klargestellt werden, dass es darum geht, das Produkt vor dem Hintergrund aller von Verbrauchern geäußerten Wünsche und Bedürfnisse zu bewerten und vorzuschlagen, fordert der BDVM.

Verbraucher nicht noch mehr verunsichern
Für das Produktgenehmigungsverfahren ist vorgesehen, dass Versicherer auch anhand von Referenzwerten, die die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA entwickeln soll, sicherstellen, dass die Versicherungsanlageprodukte den Wünschen und Bedürfnissen des jeweiligen Zielmarkts entsprechen ("Value for Money"). "Es ist auch im Sinne der Kunden nicht angebracht, dass Vermittler diesen Prozess wiederholen bzw. bei Abweichen von den Referenzwerten eigene Tests und Bewertungen durchführen müssen", kritisiert Gause. Letzteres sei gar nicht möglich, da Vermittler am Produktfreigabeverfahren für das entsprechende Produkt nicht beteiligt waren.

Ebenso erscheint dem BDVM der Aufwand unverhältnismäßig, hunderttausende Vermittler in den Meldeprozess für die Erstellung der Referenzwerte einzubeziehen (Erwägungsgrund 15). "Hiervon sollte abgesehen werden", fordert Gause. Die Wahlfreiheit für Kunden zur Art der Beratung und Vergütung müsse bleiben, ohne den Begriff "Unabhängigkeit" zu verkomplizieren. Dazu sollten mehrere Passagen im Richtlinienentwurf ersatzlos gestrichen werden, fordert der BDVM. Das würde auch der Verunsicherung von Verbrauchern entgegenwirken. "Mehr Klarheit wird es wohl zum Jahreswechsel 2023/2024 geben", hofft der BDVM-Chef. (dpo)


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