Bei Prozessen um Falschberatung im Kapitalanlagebereich wird häufig zunächst geprüft, ob die Schadensersatzansprüche bereits verjährt sind. Juristen unterscheiden zwei Arten der Verjährung: Die absolute, die zehn Jahre ab Zeichnung des Produktes einsetzt, und die "relative Verjährung", die drei Jahren nach dem Ende des Jahres beginnt, in dem der Anleger Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen hatte. Knackpunkt ist oft, ob und wann eine relative Verjährung eingesetzt hat.

Strittig ist vor allem, ob man einem Kunden die dafür nötige grob fahrlässige Unkenntnis nachweisen kann oder nicht. Hier gibt es zwei Sachverhalte, anhand derer man eine Entscheidung treffen kann: Zum einen die Nicht-Beachtung von Risikohinweisen auf Beratungsprotokollen. Und zum anderen, ob ein Kunde im Nachhinein bemerkt hat, dass Anlageziele und tatsächliche Wertentwicklung eines Produktes derart stark auseinander klaffen, dass er rechtzeitig gegen den Berater hätte vorgehen müssen.

Einzelfall-Entscheidungen nötig
Rechtsanwalt Oliver Renner von der Stuttgarter Kanzlei Rechtsanwälte Wüterich Breucker hat zwei aktuelle Urteile, darunter eines vom Bundesgerichtshof (BGH), zum Anlass genommen, die Auslegungen zu diesen auch für Berater wichtigen Punkten näher zu erläutern. Sein Fazit: Der BGH habe klar gemacht, dass jeder Sachverhalt individuell aufgearbeitet werden muss.

"Für jeden einzelnen behaupteten Beratungsfehler muss der Berater konkret und substantiiert vortragen, wann und wie der Anleger Kenntnis erhalten hat beziehungsweise ihm grob fahrlässige Unkenntnis vorgeworfen werden kann", so Renner. Hierzu sei eine umfassende Sachverhaltsaufarbeitung erforderlich.

Risikohinweise nicht auf Rückseiten
Zur korrekten Beratungsdokumentationen verweist Renner beispielhaft zunächst auf ein Urteil des Oberlandesgerichtes (OLG) Celle, demzufolge Warnhinweise nicht auf der Rückseite eines Protokolls gegeben werden dürfen, sondern vollständig und transparent im Text dargestellt werden müssen. Das OLG Celle hat Renner zufolge hierbei ein Urteil des BGH vom 17. März 2016 (III ZR 47/15) konkretisiert.

Das oberste deutsche Gericht hatte gesagt, dass sich ein Berater nicht auf die korrekte Beratungsdokumentation stützen kann, wenn der Risikohinweise auf der Rückseite aufgedruckt war: "Für einen durchschnittlichen Anleger lässt sich nicht erkennen, dass etwa auf der Rückseite maßgebliche Warnhinweise gegeben werden, die eine Beurteilung der erfolgten Beratung und der Eignung der gezeichneten Anlage für die verfolgten Zwecke zulassen", heißt es in dem Urteil.

Dazu hatte das OLG am 23. Juni 2016 (11 U 9/16) entgegnet, dass dieser Sachverhalt mit einem vor dem OLG verhandelten Beratungsbogen nicht vergleichbar ist. Dieser habe unter der Überschrift "Risiken der Beteiligung" knapp zusammengefasst und allgemein verständlich insgesamt acht Hinweise enthalten. "Diese führten jedem Anleger vor Augen, dass nicht nur mögliche Gewinn nicht garantiert werden kann, sondern auch der Verlust des eingesetzten Kapitals möglich ist. In besonderem Maße gilt dies für den letzten Hinweis, der das Risiko eines Totalverlusts ausdrücklich anspricht. Die besondere Bedeutung des Beraterbogens wurde dadurch betont, dass der Kläger ihn zusätzlich zu der Beitrittserklärung unterschreiben sollte und unstreitig unterschrieben hat. Allein dieses Unterschriftserfordernis musste den Kläger veranlassen, sich über den Inhalt der Notiz zu vergewissern", heißt es in dem Urteil.

Fehlende Ausschüttungen kein Hinweis auf Beratungsfehler
Renner geht auch hinsichtlich eines anderen Aspekts auf das Urteil des BGH vom März ein: dem Ausbleiben von Ausschüttungen. "Hieraus kann keine Kenntnis von Beratungsfehlern abgeleitet werden, wie beispielsweise die nicht erfolgte Aufklärung über die nicht vorhandene Fungibilität oder die mangelnde Eignung zum Anlageziel der sicheren Altersvorsorge", so der Anwalt. Zudem sei der Anleger grundsätzlich nicht gehalten, den Prospekt im Nachhinein zu lesen. Der Kunde ist also in solchen Fällen aus dem Schneider, eine grob fahrlässige Unkenntnis sei nicht anzunehmen. Allerdings: Würde ein Kunde die Rechenschaftsberichte für ein Produkt lesen, dann würde die Verjährung beginnen, so der BGH in einem Urteil vom 2. Juli 2015 (III ZR 194/14). (jb)