Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Ende 2019 erneut ein Urteil gefällt, das Anlageberater kennen sollten (Az. III ZR 244/18). Das oberste deutsche Gericht stellte darin fest, dass Berater unter Umständen selbst dann für eine Anlageempfehlung haften, wenn sie an deren konkreter Umsetzung nicht durchgängig aktiv mitgewirkt haben.

Im konkreten Fall, der zum Rechtsstreit führte, hatte ein Vermittler einen Kunden lange Jahre vor allem in Versicherungsangelegenheiten betreut. Als dieser Ende 2005 Interesse an einer Altersvorsorgelösung anmeldete, stellte er dem Kunden verschiedene Renten- und Lebensversicherungsprodukte vor, die dieser jedoch nicht ablehnte.

Anlage bei Rechtsanwalt
In einem Gespräch Ende 2006 wies der Vermittler dann auf die Anlagemöglichkeit bei einem Rechtsanwalt hin, der nebenbei auch kurzfristige Kapitalanlagen zu guten und individuell auszuhandelnden Festzinsen anbiete. Auch der Berater selbst würde diese Möglichkeit nutzen, sagte er. Über die nähere Art der Anlage sprachen beide Seiten nicht. Insbesondere hatte der Berater sich weder über die Wirtschaftlichkeit der Kapitalanlage noch die Bonität des Rechtsanwalts informiert und den Kunden auch nicht darauf hingewiesen, dass er die Anlagemöglichkeit nicht entsprechend geprüft hatte. 

Der Kunde investierte daraufhin zunächst 10.000 Euro und im weiteren Verlauf – ohne erneute Rücksprache mit dem Berater – weitere 200.000 Euro bei dem Rechtsanwalt. Nachdem der Anwalt im Jahr 2014 verstarb, wurde über seinen Nachlass ein Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kunde verklagte den Berater daraufhin auf Schadenersatz. Begründung: Der Vermittler habe ihm die Anlagemöglichkeit über den Rechtsanwalt als absolut sicher, geeignet für seine Bedürfnisse, vertrauenswürdig und seriös empfohlen. 

Haftung auch, wenn man Produkte nicht selbst besorgt
Der BGH hat nun in diesem Zusammenhang festgestellt, dass es keinen abstrakten Rechtssatz gebe, nach dem eine Auskunfts- oder Beratungspflicht und damit einhergehend eine Haftung stets auf den ersten Erwerb einer Anlage nach dem Beratungsgespräch begrenzt ist. Zwar sei ein Anlageberater im Normalfall – bei der Anlage eines bestimmten Geldbetrages – nur hinsichtlich des konkreten Anlagewunsches zur Beratung verpflichtet. Es stünde den Vertragsparteien aber grundsätzlich frei, weitergehende Pflichten zu vereinbaren. 

Das heißt dann für die Praxis: Sofern nämlich ein Kunde wie im vorliegenden Fall nicht nur nach Rat für die Anlage eines (bestimmten) Geldbetrags fragt, sondern generell auf der Suche nach einer fortbestehenden Möglichkeit zur wiederholten Anlage noch unbestimmter Geldbeträge ist, kann der Berater auch für diese, ihm unter Umständen gänzlich unbekannten Investitionen, später haften. 

Anwalt rät zu schriftlichen Beraterverträgen
Ob beide Seiten eine solche Vereinbarung implizit und bewusst geschlossen haben, ist nicht immer eindeutig und muss bei einem Rechtstreit wie dem vorliegenden durch Auslegung des Einzelfalls ermittelt werden, betont der BGH. Aus diesem Grund haben die Karlsruhe Richter die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückverwiesen, damit diese die Details klärt.

Laut Rechtsanwalt Philipp Mertens von der Düsseldorfer Kanzlei BMS Rechtsanwälte zeigt dieses Urteil zum wiederholten Male, wie wichtig es für Berater ist, schriftliche Verträge abzuschließen, in denen die jeweiligen Pflichten unmissverständlich definiert werden. Insbesondere sollten Berater stets klarstellen, ob sie lediglich zu einer konkreten Anlageentscheidung beraten oder gegebenenfalls weitergehende Pflichten übernehmen. Andernfalls drohe, wie der vorliegende Fall zeigt, dass Gerichte die den Berater treffenden Pflichten im Wege der Auslegung ermitteln. (jb)