In den vergangenen Jahren haben deutsche Gerichte, darunter auch der Bundesgerichtshof (BGH), die Kundenrechte bei der Ausübung ihres Widerrufsrechts von Lebenspolicen gestärkt. Die Versicherungsnehmer haben einen großen Spielraum, wenn der Versicherer nicht ausreichend oder ungenau über das Widerrufsrecht informiert hatte. In einem aktuellen Urteil vom 15. Februar 2023 (Az. IV ZR 353/21) hat der BGH den Kunden aber Grenzen gesetzt. Die Karlsruher Richter kamen laut Pressemitteilung zum Schluss, dass ein geringfügiger Belehrungsfehler des Versicherers kein Grund für eine Rückabwicklung ist. Auch die Vorinstanzen sahen das so.

Konkret ging es um zwei Lebens- und Rentenversicherungen, die eine Versicherungsnehmerin 2002 abgeschlossen hatte. Die beiden Policen kündigte sie 2016 und 2017. Ein Jahr später wollte sie die Verträge aber gemäß  Paragraf 5a Versicherungsvertragsgesetz (in alter Form) rückabwickeln lassen und begründete das damit, dass die Belehrung zum Widerspruchsrecht fehlerhaft gewesen sei. Die Belehrung hatte sie ausgehändigt bekommen, allerdings sollte der Widerruf laut Text in Schriftform mit Unterschrift erfolgen, während auf Basis der damaligen Gesetzeslage die sogenannte Textform ohne Unterschrift ausreichend war.

"Verstoß gegen Treu und Glauben"
Der BGH entschied nun, dass ein solch geringfügiger Fehler in der Widerrufsbelehrung nicht ausreicht. "Die Ausübung des Widerspruchsrechts verstößt gegen Treu und Glauben (Paragraf 242 Bürgerliches Gesetzbuch), wenn ein geringfügiger Belehrungsfehler vorliegt, durch den dem Versicherungsnehmer nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben", heißt es in der Mitteilung. Denn dies stelle eine nur geringfügige, im Ergebnis folgenlose Verletzung der Pflicht des Versicherers zur ordnungsgemäßen Belehrung dar. (jb)