Dem Bundesgerichtshof (BGH) zufolge verstößt eine häufig verwendete Kostenklausel von offenen Publikumsfonds gegen das Transparenzgebot und ist daher unwirksam. Auf ein entsprechendes Urteil, das sich im konkreten Fall auf den fast 800 Millionen Euro schweren DWS SDG Multi Asset Dynamic bezieht, macht der Düsseldorfer Rechtsanwalt Jens Graf aufmerksam (Urteil vom 5. Oktober 2023, Az. III ZR 216/22).

Mit dem Urteil endet das von Graf angestrengte Verfahren noch nicht. Der BGH verwies den Fall vielmehr zurück an die Vorinstanz, das Landgericht Frankfurt am Main. Es ist also noch zu früh, um seriöse Aussagen über die Folgen des Richterspruchs zu treffen. Beachtenswert ist das Urteil aber allemal, weil es offensichtlich das erste BGH-Urteil ist, das eine übliche Kostenklausel von offenen Publikumsfonds als intransparent brandmarkt.

"Nicht klar und verständlich"
Aber von vorne: Graf stößt sich seit vielen Jahren daran, dass Privatanlegern Fondsanteilsklassen empfohlen werden, die mit Vertriebsgebühren belastet sind, während institutionelle Investoren günstigere Tranchen zeichnen können. Einer dieser Fälle landete nun vor dem BGH. Die Bundesrichter kamen jedoch gar nicht dazu, sich inhaltlich näher mit Grafs Argumentation auseinanderzusetzen. Für sie war die Kostenpauschale schlicht "intransparent" und daher "unwirksam".

Der entscheidende Satz der "Besonderen Anlagebedingungen", die dem BGH vorlagen, lautet wie folgt: "Die Gesellschaft erhält aus dem OGAW-Sondervermögen eine tägliche Kostenpauschale in Höhe von 1,5 % p. a. des OGAW-Sondervermögens auf Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes." Diese Klausel könne keine "Grundlage für die Entnahme von Vertriebsprovisionen" sein, heißt es in dem Urteil, denn sie sei "als Allgemeine Geschäftsbedingung (…) gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, weil sie nicht klar und verständlich ist und daher die Vertragspartner der Beklagten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unangemessen benachteiligt".

"Dazu geeignet, den Vertragspartner in die Irre zu führen"
Ein Kunde müsse "bereits bei Vertragsschluss erkennen können, was gegebenenfalls 'auf ihn zukommt'", so der BGH. "Eine Vertragsgestaltung, die objektiv dazu geeignet ist, den Vertragspartner bezüglich seiner Rechtsstellung in die Irre zu führen, verstößt gegen das Transparenzgebot."

Die Bundesrichter bemängeln unter anderem, dass unklar bleibe, für welches Zeitintervall genau der Fondsanbieter die Vergütung erhalten solle. "Offen bleibt auch, wie die Vergütung für solche Tage zu berechnen ist, die nicht Börsentage sind." Gegen Ende der Begründung ziehen die fünf BGH-Richter eine Art Fazit: "Es bleibt mithin für den Vertragspartner unklar, welche Vergütung er der Beklagten schuldet, obwohl eine klare Regelung ohne weiteres möglich gewesen wäre."

Anwalt Graf vermutet einen "Herausgabeanspruch"
Rechtsanwalt Graf würde sich im Interesse der Anleger freuen, mit dem Urteil einen Stein ins Rollen gebracht zu haben. "Aus der Unwirksamkeit der Kostenklausel lässt sich ein Herausgabeanspruch ableiten", ist der Jurist überzeugt. "Auf Basis dieses Urteils sollten Privatanleger die Rückzahlung der Verwaltungsgebühren bis hin zur Rückabwicklung der ganzen Investition verlangen können." Das gelte wahrscheinlich nicht nur für den einen konkreten DWS-Fonds, sondern auch für weitere Produkte dieses Anbieters und anderer Gesellschaften, deren Kostenklauseln sich ähnlich lesen.

"Es ist davon auszugehen, dass mehrere Anbieter ähnliche Formulierungen verwenden", bestätigt ein Sprecher der Bafin auf Anfrage von FONDS professionell ONLINE. Müssen nun womöglich Musterbedingungen und Vorlagen, die die Aufsichtsbehörde der Branche zur Verfügung stellt, überarbeitet werden? "Soweit erforderlich, steht die Bafin hierzu mit den relevanten Marktteilnehmern im Austausch", teilt der Sprecher mit. Zu Details wollte er sich "zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern".

"Wir beobachten die Entwicklung sehr genau"
Der Fondsverband BVI gibt sich zumindest nach außen hin entspannt. "Zum gegenwärtigen Zeitpunkt strahlt das Urteil nicht unmittelbar auf die Branche ab", sagt Marcus Mecklenburg, der Leiter der Rechtsabteilung. "Zum einen ist der Fall noch gar nicht abgeschlossen, zum anderen arbeitet jeder Anbieter mit leicht anderen Klauseln. Wir beobachten die Entwicklung sehr genau. Sollte sich Handlungsbedarf ergeben, werden wir dem selbstverständlich nachkommen."

Wichtig zu wissen sei, dass die Bundesrichter ihr Urteil ausschließlich auf Basis der Akten fällen konnten. "Dem BGH lagen nur die Besonderen Anlagebedingungen vor, nicht aber der Verkaufsprospekt, der weitere Erläuterungen enthält", sagt Tim Kreutzmann, Abteilungsdirektor Recht beim BVI. "Das Landgericht kann, anders als der BGH, weitere Quellen hinzuziehen. Ob es die fragliche Klausel auch in der Gesamtschau als intransparent werten wird, ist offen."

Die Kostenklauseln werden von der Bafin geprüft
Graf merkt hierzu an, dass die DWS den Gerichten den Verkaufsprospekt längst hätte vorlegen können, dies aber unterlassen habe. Er glaubt ohnehin nicht, dass das Landgericht Frankfurt am Main zu einem anderen Ergebnis kommen wird als das oberste deutsche Zivilgericht. "Ich konnte im Verkaufsprospekt jedenfalls bisher keine Erläuterungen finden, die alle Anforderungen des BGH erfüllen würden", sagt er.

Selbst wenn das Landgericht die Klausel als intransparent einstufe, sage das noch nichts über die konkreten Folgen aus, betont BVI-Jurist Kreutzmann. Dass Verbraucher erfolgreich die gesamte Verwaltungsgebühr zurückfordern können, hält er jedenfalls für illusorisch: "Wohl kein Anleger wird davon ausgehen, dass ein Fondsmanager gänzlich kostenlos arbeitet." Mecklenburg verweist zudem darauf, dass die Kostenklauseln deutscher Fonds von der Bafin geprüft worden seien – ein wichtiger Unterschied zu weniger streng regulierten Wirtschaftsbereichen, in denen die Anbieter deutlich mehr Freiheiten in der Vertragsgestaltung haben.

Graf betont, die Bafin handele ausschließlich nach den Maßstäben des Aufsichtsrechts, zivilrechtliche Aspekte habe sie nicht im Blick. Er verweist auf das Dokument "Bafin-Musterbausteine für Kostenklauseln offener Publikumsinvestmentvermögen", in dem es heißt: "Die Musterbausteine geben eine Orientierungshilfe, welche Kostenregelungen von der Bafin als nicht unangemessen und mithin genehmigungsfähig gewertet werden. Weitere Prüfungen, wie z.B. im Hinblick auf die zivilrechtliche Wirksamkeit sowie auf steuerrechtliche oder wirtschaftliche Auswirkungen bei der Verwendung der Klauseln obliegen den verwendenden Gesellschaften."

"Keine rechtskräftige Entscheidung"
Und wie äußert sich die DWS selbst? "Der BGH hat den Fall an die Vorinstanz wegen fehlender Feststellungen zurückverwiesen. Er hat gerade keine rechtskräftige Entscheidung getroffen", betont ein Sprecher. "Wir werden die Urteilsgründe im Detail analysieren und über weitere Schritte beraten."

Die Entscheidung betreffe eine Klausel, die die Gesellschaft in dieser Form nicht mehr verwende. "Die DWS ist immer bestrebt, ihre Anleger im Rahmen ihrer Fondsdokumentation umfassend und transparent zu informieren", so der Sprecher. "Daher überprüfen wir kontinuierlich unsere Fondsdokumentation auf die Einhaltung bestehender und neuer rechtlicher und regulatorischer Anforderungen." (bm)


Auf der BGH-Website steht das Urteil im PDF-Format zum Download zur Verfügung (externer Link).