Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden. Nun steht fest: Bei den Bausparkassen dürften heute die Sektkorken knallen, während viele Bausparer in die Röhre schauen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich der Argumentation von zwei Geldinstituten angeschlossen, die ältere, hochverzinste und zuteilungsreife Bausparverträge mit Hinweis auf einen Paragrafen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorzeitig von sich aus gekündigt haben. Das geht aus einer Pressemitteilung des BGH hervor. Wenn Sparer zehn Jahre lang ihren Anspruch auf ein Baudarlehen nicht geltend machen, könne ihnen der Vertrag gekündigt werden, befand der für Bankrecht zuständige Sechste Zivilsenat am Dienstag in Karlsruhe. "Bausparverträge sind in der Regel zehn Jahre nach Zuteilung kündbar", sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Ellenberger laut einem Bericht von Reuters. 

Diverse Bausparkassen hatten zuletzt reihenweise hochverzinste Alt-Verträge gekündigt. Kunden, die vor Jahren einen Bausparvertrag abgeschlossen haben, ließnen sich das nicht gefallen. Ais ihrer Sicht war es lohnender, die zugesagten Zinsen von drei oder sogar mehr Prozent zu vereinnahmen als ein Bauspardarlehen gemäß den Vertragskonditionen aufzunehmen. Zumal Kredite anderswo oft zu günstigeren Bedingungen zu bekommen sind, als einst im Bausparvertrag festgelegt.

Urteil mit Signalwirkung
Konkret geklagt hatten zwei Damen, die ich über die Vorgehensweise der Bausparkasse Wüstenrot geärgert hatten. In einem der Fälle hatte die Kundin 1978 einen Vertrag abgeschlossen, die Bausparsumme lag bei 40.000 D-Mark. Für das Sparguthaben wurde ein Zinssatz von drei Prozent pro Jahr vereinbart. 1993 wurde der Bausparvertrag zuteilungsreif. doch die Kundin nahm das Darlehen nicht in Anspruch. Stattdessen stellte sie die Zahlungen ein und ließ den Vertrag einfach weiterlaufen. Anfang 2015 kündigte Wüstenrot den Vertrag. Auch zwei Verträge der anderen Frau wurden gekündigt, weil sie zuteilungsreif waren. Dagegen hatten die Anlegerinnen geklagt. Sie meinten, dass Wüstenrot kein Recht habe, den Vertrag zu kündigen. 

Von den nun ergangenen Urteilen (AZ: XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16) sind nicht nur die beiden klagenden Kundinnen betroffen, die ihren Fall vor das oberste Gericht getragen haben, sondern geschätzt mehr als 250.000 Bausparer. Daher hat der Entscheid eine große Bedeutung, eine Reihe von Gerichtsverfahren ist auch noch anhängig.

Paragraf 489 BGB
Für die Kündigung berufen sich die Baufinanzierer auf Paragrafen 489 BGB. Dieser besagt, dass ein Darlehensnehmer einen "Kreditvertrag mit einem festen Sollzinssatz nach Ablauf von zehn Jahren seit dem vollständigen Empfang des Darlehens" kündigen kann. Die Institute argumentieren dabei, dass es sich bei Bausparverträgen um einen Darlehensvertrag mit einer Besonderheit handele: Sparkasse und Sparer würden ab der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre Rollen als Kreditgeber und -nehmer tauschen. Während der vorhergehenden Ansparphase sei die Bausparkasse die Darlehensnehmerin – und damit stehe ihr das Kündigungsrecht zu (FONDS professionell ONLINE berichtete).

Begründung des BGH
Der BGH bestätigte diese Sicht. In einer Pressemitteilung heißt es weiter: "Der XI. Zivilsenat hat daher in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur entschieden, dass die Kündigungsvorschrift des Paragraf 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen."

Ebenfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht der Landes- und Oberlandesgerichte hat der BGH entschieden, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorliegen. Denn mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife haben die Bausparkassen unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Der Vertragszweck besteht für den Bausparer ja darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen.

Danach seien Bausparverträge im Regelfall zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündbar. Aus diesem Grunde sind hier die von der beklagten Bausparkasse jeweils mehr als zehn Jahre nach erstmaliger Zuteilungsreife erklärten Kündigungen der Bausparverträge wirksam. (fp)