Die für viele Verbraucher seit Jahren sinkenden Auszahlungen aus Lebensversicherungen beschäftigen seit einiger Zeit auch den Bundesgerichtshof (BGH). Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, geht es in dem am 13. Juni  in Karlsruhe verhandelten Fall (Az. IV ZR 201/17) konkret darum, in welchem Umfang Vertragsnehmer an den Bewertungsreserven der Versicherer beteiligt werden müssen. Der BGH prüft auf Betreiben des Bundes der Versicherten (BdV), der als Kläger auftritt, damit zeitgleich auch das 2014 in Kraft getretene Lebensversicherungsreformgesetz (LVRG). Das Urteil war bereits für den 13. Juni erwartet worden, der BGH verschob seinen Entscheid aber auf den 27. Juni. Dabei sieht es aber so aus, als ob die Assekuranz gewinnen dürfte – wie in der Vorinstanz.

Zum Hintergrund: Lebensversicherungen legen das Geld ihrer Kunden am Kapitalmarkt an, vor allem in festverzinsliche Anleihen. Bewertungsreserven entstehen dann, wenn die Anleihen mehr wert sind, als sie ursprünglich gekostet haben. Bei den seit Jahren anhaltenden niedrigen Zinsen könnten so nun die alten festverzinslichen Wertpapiere mit noch hoher Verzinsung zu einem Preis über ihrem Buchwert verkauft werden.

Seit 2008 und bis zur Einführung des LVRG im Jahr 2014 mussten die Versicherer zum Ende des Vertrags ihre Kunden zur Hälfte an diesen stillen Reserven beteiligen. Seit 2014 sind sie dazu nicht mehr verpflichtet, wenn sonst bei noch bestehenden Verträgen die Auszahlung garantierter Leistungen gefährdet ist, so die Ausführungen der Nachrichtenagentur.

BdV erwägt Gang vor das Bundesverfassungsgericht
Im vorliegenden Fall hatte die zur Ergo gehörende Victoria Versicherung einem Kunden zunächst die Auszahlung von knapp 50.300 Euro in Aussicht gestellt. In dem Betrag waren Bewertungsreserven in Höhe von mehr als 2.800 Euro enthalten. Die endgültige Auszahlung belief sich aber nur auf 47.600 Euro, weil die Gesellschaft die stillen Reserven nur noch mit knapp 150 Euro veranschlagte. Begründung: Die Auszahlungen an andere Versicherungsnehmer sollten nicht gefährden werden – das LVRG erlaubt das.

Gegen diese erhebliche Kürzung bei den Bewertungsreserven zogen die Verbraucherschützer vom BdV vor Gericht – und vor allem auch gegen das LVRG, das der BdV nicht als verfassungskonform betrachtet. BdV-Chef Axel Kleinlein sprach am Rande des Verfahrens laut AFP von einem "Pfuschgesetz": Verschiedene Versichertengruppen seien gegeneinander ausgespielt worden. Dabei sei die Situation von den Versicherern selbst geschaffen worden, weil sie sich verkalkuliert und zu hohe Renditen versprochen hätten. "Dafür sollen die Versicherten bluten, das ist in unseren Augen Enteignung", zitiert die Agentur Kleinlein.

Die BGH-Richter deuteten laut AFP an, dass die Kürzungen bei der Beteiligung an den Bewertungsreserven möglicherweise nicht ausreichend geprüft worden seien. Es zeichne sich zugleich ab, dass sie die Gesetzesänderungen nicht grundsätzlich beanstanden. Der BdV schließt daher auch einen Gang zum Bundesverfassungsgericht nicht aus. Ob es soweit kommt bleibt nicht zuletzt deshalb abzuwarten, weil das LVRG gerade in Berlin überprüft wird. Eventuell nimmt sich der Gesetzgeber dieses Problems auch an – darüber ist bislang aber nichts an die Öffentlichkeit gedrungen. (jb)