In Deutschland aufgelegte Wertpapier-Publikumsfonds (OGAW) und gemischte Investmentvermögen können bei der Berechnung ihres Nettoinventarwertes (NAV) künftig das "Swing Pricing"-Verfahren einsetzen. Den Anbietern wird außerdem erlaubt, Anteilsrückgaben zeitweise zu begrenzen ("Redemption Gates") und Rückgabefristen einzuführen. Eine weitere Neuerung betrifft geschlossene Fonds: Sie dürfen künftig Teilgesellschaftsvermögen bilden, so wie das offenen Fonds schon lange erlaubt ist.

"Der Bundestag hat die entsprechenden Änderungen des Kapitalanlagegesetzbuches am 13. Februar beschlossen", sagt Rechtsanwalt Conrad Ruppel aus dem Frankfurter Büro der Kanzlei Hengeler Mueller im Gespräch mit FONDS professionell ONLINE. "Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen, er könnte höchstens Einspruch einlegen, womit in diesem Fall aber nicht zu rechnen ist."

Sobald die Regeln im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurden, was Ende März oder Anfang April der Fall sein dürfte, treten sie in Kraft. "Ab dann dürfen die Anbieter die neuen Instrumente implementieren", sagt Ruppel. "In der Praxis wird das zunächst bei neu aufgelegten Fonds der Fall sein. Bei bestehenden Fonds müssen zunächst die Anlagebedingungen entsprechend geändert werden."

"Stärkung des Fondsstandorts"
Die Neuerungen sind Teils des "Gesetzes zur Einführung von Sondervorschriften für die Sanierung und Abwicklung von zentralen Gegenparteien". Dort findet sich eine Passage, die mit "Änderung des Kapitalanlagegesetzbuchs zur Stärkung des Fondsstandorts Deutschland" überschrieben ist. "Die Formulierung 'Stärkung des Fondsstandortes' lässt natürlich aufhorchen", sagt Ruppel. "Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass es bei der Regulierung schwerpunktmäßig um die Wettbewerbsfähigkeit der Asset-Management-Branche geht", lobt er.

Wobei es streng genommen weniger um die Schaffung eines Wettbewerbsvorteils geht, sondern eher um die Beseitigung eines Nachteils: An internationalen Fondsstandorten, etwa in Luxemburg, sind Instrumente wie "Swing Pricing" oder "Redemption Gates" längst üblich, auch Standardsetzer wie der Zusammenschluss der Wertpapieraufsichtsbehörden IOSCO, der Finanzstabilitätsrat FSB und der Europäische Ausschuss für Systemrisiken empfehlen sie, um Liquiditätsrisiken im Fall hoher Mittelabflüsse zu verringern.

"Swing Pricing"
Die für offene Publikumsfonds im Alltag wohl wichtigste Änderung ist die Option, den NAV "schwingen" zu lassen. "Swing Pricing ermöglicht eine verursachergerechte Belastung der einzelnen Anleger beim Ein- und Ausstieg", heißt es in der Beschlussempfehlung des Gesetzes. Konkret passt die Fondsgesellschaft den NAV etwas nach oben an, wenn an einem Tag mehr Anleger Fondsanteile kaufen als zurückgeben. Ziel ist, dass die neuen Anleger die Kosten übernehmen, die durch ihren Einstieg im Fonds anfallen – schließlich muss der Portfoliomanager das frische Geld investieren, was Transaktionskosten verursacht. Überwiegen die Anteilsrückgaben, wird der NAV entsprechend nach unten angepasst.

Es wird auch möglich sein, die Preise erst dann "schwingen" zu lassen, wenn bestimmte Schwellenwerte bei den Käufen oder Verkäufen überschritten wurden. Konsequent angewandt sorgt Swing Pricing dafür, dass die Performance für treue Anleger nicht zu stark durch hohe Transaktionskosten verwässert wird.

Rückgabefristen
Die beiden anderen Maßnahmen dienen direkt dazu, die Liquidität eines Publikumsfonds besser steuern zu können. Künftig kann eine Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) eine Rückgabefrist einführen, die bis zu einen Monat betragen kann. "Der Anleger müsste seinen Ausstieg also beispielsweise vier Wochen im Voraus ankündigen", sagt Hengeler-Mueller-Rechtsanwalt Ruppel. "Das erlaubt einem Fondsmanager, die Veräußerung von Vermögensgegenständen besser zu planen."

Bei offenen Immobilienfonds wurden schon 2013 entsprechende Fristen eingeführt, in diesem Fall sogar verpflichtend: Anleger müssen ihre Anteile seither mindestens 24 Monate halten und einen Verkauf zwölf Monate im Voraus ankündigen. Bei Wertpapierpublikumsfonds kann die KVG selbst entscheiden, ob sie eine Rückgabefrist einführen möchte oder nicht. Mindesthaltefristen sind nicht vorgesehen.

"Redemption Gates"
Rücknahmebeschränkungen ("Redemption Gates") sollen einer KVG die Option bieten, übermäßige Abflüsse zu bremsen, um keine Notverkäufe im Portfolio tätigen zu müssen. "Denkbar ist, dass der Anbieter für eine kurze Zeit überhaupt keine Anteilrückgaben mehr zulässt oder dass er bestimmte Obergrenzen festlegt, je Anleger also nur eine bestimmte Zahl von Anteilen zurücknimmt", erläutert Ruppel.

"In der Regel sollten einige Tage für eine Beschränkung der Anteilsrücknahme ausreichend sein, um entsprechende Liquidität für die Bedienung von Anteilrückgaben zu beschaffen", heißt es in der Beschlussempfehlung. Daher darf eine Rücknahmebeschränkung höchstens 15 Arbeitstage dauern. Ruppel weist darauf hin, dass KVGen schon länger die Möglichkeit haben, in Ausnahmefällen die Anteilsrücknahme auszusetzen. Darauf mussten in der Finanzkrise nicht nur mehrere offene Immobilienfonds zurückgreifen, sondern auch einige Rentenfonds. "Das neue Instrument kann als Vorstufe einer solchen Maßnahme angesehen werden und dabei helfen, eine längerfristige Aussetzung der Anteilsrücknahme zu vermeiden", erläutert der Investment- und Kapitalmarktrechtler.

Teilfonds auch für die Sachwertbranche
Eine weitere Neuerung betrifft die Sachwertbranche: Künftig dürfen Investmentaktiengesellschaften mit fixem Kapital und geschlossene Investmentkommanditgesellschaften auch Teilgesellschaftsvermögen bilden. "Bei offenen Fonds ist es seit Jahren gang und gäbe, haftungs- und vermögensrechtlich separierte Teilgesellschaftsvermögen zu bilden. Das geht nun auch bei geschlossenen Fonds", so Ruppel.

Sprich: Bislang muss ein Anbieter geschlossener Fonds für jedes neue Produkt ein eigenes Vehikel auflegen – künftig reicht in vielen Fällen die Eröffnung eines neuen Teilfonds. "Das gibt der Branche zusätzliche Strukturierungsmöglichkeiten", lobt der Investment- und Kapitalmarktrechtler.

"Besser früher als später einführen"
In Gesprächen mit Fondsgesellschaften stellt Ruppel fest, dass die Verantwortlichen die Neuerungen begrüßen, sich aber bisher nicht auf Umsetzung fokussieren konnten. "Andere Themen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung beanspruchen aktuell viele Ressourcen. Dabei haben uns die jüngsten Börsenturbulenzen vor Augen geführt, dass die Instrumente zur Liquiditätssteuerung besser früher als später eingeführt werden sollten." (bm)