Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90/Die Grünen) hat sich für ein gänzlich neues Verfahren zur Kennzeichnung "grüner" Energieformen durch die Europäische Union (EU) ausgesprochen. Dies berichtet der "Tagesspiegel" und beruft sich dabei auf eine Meldung der Nachrichtenagentur Reuters. "Angesichts der großen Bedeutung der hier behandelten Fragen muss es jetzt eine öffentliche Konsultation geben und schließlich ein ordentliches Gesetzgebungsverfahren", sagte Lemke gegenüber Reuters am Donnerstag (27.1.). Nur auf diese Weise lasse sich die Beteiligung der Öffentlichkeit, der Mitgliedsstaaten und des Europäischen Parlaments ausreichend gewährleisten.

Die Europäische Kommission hatte in der Nacht zum 1. Januar ihren Entwurf für eine ergänzende Taxonomie-Rechtsverordnung über bestimmte Erdgas- und Kernenergieaktivitäten zur Konsultation an die EU-Mitgliedsstaaten verschickt. Der endgültige Text solle voraussichtlich Anfang Februar veröffentlicht werden, schreibt der "Tagesspiegel". 

Ablehnung des Entwurfs gilt als unwahrscheinlich
Wie bei einem sogenannten delegierten Rechtsakt üblich, haben das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten dann bis zu sechs Monate Zeit, um den Entwurf abzulehnen oder anzunehmen. Lemke kritisiert, dass die Kommission den Weg über einen delegierten Rechtsakt gewählt hat. Dieser lasse ihr viele Freiheiten, während die Mitgliedsstaaten und das EU-Parlament nur die Möglichkeit haben, das Vorhaben mit eigenen Mehrheiten insgesamt zu stoppen. Mindestens 20 Staaten und das Parlament müssten dafür gegen den Entwurf stimmen. Eine Ablehnung auf diese Weise aber gilt als unwahrscheinlich.

Die Ministerin befindet den Entwurf der Kommission auch inhaltlich für inakzeptabel. Die Aufnahme von Atomkraft und Erdgas in das EU-System zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten und zur Einstufung entsprechender Investitionen bezeichnet sie als "klaren Fehler" und als "Greenwashing". Der Taxonomie als vertrauenswürdigem, belastbarem Bewertungsmaßstab würde damit ein nicht mehr gutzumachender Schaden zugefügt. 

Geteiltes Echo
Bei europäischen Investoren stößt das Vorhaben einer Reuters-Umfrage zufolge sowieso auf ein geteiltes Echo, berichtet der "Tagesspiegel". Bei der Befragung von Managern von 16 Fondsanbietern, die zusammen rund sechs Billionen Euro an Vermögenswerten managen, gaben fünf an, für sie seien Gas und Atomkraft keine nachhaltigen Energiequellen. Vier stuften nur eine der beiden Energiequellen als nachhaltig ein. Fünf wiederum betrachteten sowohl Gas als auch Atomkraft unter bestimmten Voraussetzungen als "grün". Zwei teilten ihre Ansichten nicht mit. In Deutschland hatte sich die Fondsbranche zuletzt kritisch geäußert. Die EU-Kommission habe sich zu der Reuters-Umfrage auf Anfrage nicht äußern wollen, schreibt der "Tagesspiegel". (am)