Eckart Seith kann aufatmen. Der "Cum-Ex-Strafprozess" vor dem Obergericht Zürich gegen den bekannten Wirtschaftsanwalt aus Stuttgart ist sehr wahrscheinlich geplatzt – und damit auch die unschöne Aussicht Seiths auf dreieinhalb Jahre Gefängnis. Das berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ). Der Vorsitzende der ersten Strafkammer am Züricher Gericht hat der Zeitung zufolge den früher ermittelnden Staatsanwalt für befangen erklärt, sodass seine Ermittlungsergebnisse nicht verwertet werden dürfen und die Anklage gegen "Whistleblower" Seith so nicht mehr haltbar ist.

Damit hat ein jahrelang geführter Rechtsstreit eine unerwartete Wende genommen. Schließlich waren laut FAZ seit 2016 fünf Befangenheitsanträge gegen den Staatsanwalt gescheitert. Diesmal gelang es Seiths Verteidiger aber, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Ermittler nicht unvoreingenommen gewesen sei, Hassgefühle gegen Seith gehegt habe und sogar Partei für die Bank J. Safra Sarasin (ehemals Bank Sarasin) ergriffen habe, für deren Verwicklungen in die illegalen Cum-Ex-Geschäfte der angeklagte deutsche Anwalt Beweise gesammelt und geliefert hatte. Allerdings wolle sich das Gericht eine mögliche Rückverweisung an die erste Instanz offenhalten.

Startpunkt: Klage des Drogenkönigs gegen Bank Sarasin
Das Verfahren gegen Seith hat eine lange Vorgeschichte: Der Jurist, Partner einer auf Unternehmenstransaktionen und Prozesse spezialisierten Kanzlei, war Anwalt des "Drogeriekönigs" Erwin Müller, der in die Sheridan-Fonds der Bank Sarasin investiert hatte, welche ohne seit Wisen systematisch Cum-Ex-Geschäfte betrieben. Als der Gesetzgeber die juristische Lücke schloss, die eine Mehrfacherstattung der anfallenden Kapitalertragsteuer ermöglichte, verlor das Sarasin-Investment rasant an Wert. 

Müller verklagte die Bank mit Seiths Hilfe wegen Falschberatung auf Schadenersatz. Im Jahr 2013 händigten ihm dann zwei Angestellte von Sarasin geheime Dokumente aus, darunter ein Gutachten der Wirtschaftskanzlei Freshfields. Daraus ging laut der Darstellung der Zeitung für Seith hervor, dass Cum-Ex-Geschäfte illegal waren. Danach versorgte er die deutschen Finanzbehörden und die Staatsanwaltschaft Köln mit Informationen. Mit diesen konnte verhindert werden, dass der deutsche Fiskus bis zu 460 Millionen Euro fälschlicher Weise auszahlte.

Anklage wegen Wirtschaftsspionage
In der Schweiz aber wurde der Hinweisgeber Seith von den Strafverfolgern wegen des Vorwurfs der Wirtschaftsspionage angeklagt. Von diesem Punkt wurde er im April 2019 vom Bezirksgericht Zürich freigesprochen. Er erhielt aber eine Geldstrafe auf Bewährung wegen Anstiftung zum Verstoß gegen das Bankengesetz. Gegen dieses Urteil gingen sowohl die Schweizer Staatsanwaltschaft als auch Seith vor. Dem Stuttgarter Rechtsanwalt ging es dabei um die Klärung ganz grundsätzlicher Fragen. "Das ist ganz klar ein politischer Prozess. Die Schweizer Justiz will die Weitergabe wichtiger Beweismittel, durch die kriminelle Cum-Ex-Geschäfte verhindert werden konnten, unter Strafe stellen", erklärte der Anwalt im Gespräch mit der FAZ.

Ein Rechtsstreit mit der Bank Sarasin konnte schon 2020 beigelegt werden. Das Bankhaus hatte gegen Seith und die beiden ehemaligen Bankangestellten Strafanträge gestellt, dann aber vergangenes Jahr zurückgenommen. Nach einem Urteil im Sommer 2020 steht laut FAZ zudem fest, dass Seith der Bank auch keinen Schadenersatz zahlen muss. (jb)