Christian Olearius, Ex-Chef der traditionsreichen Hamburger Privatbank M.M. Warburg & Co, wird vorgeworfen, zwischen 2006 und 2019 in 14 Fällen schwere Steuerhinterziehung begangen zu haben. Der 81-jährige Banker, dem 40 Prozent der Warburg gehören, bestreitet seit Langem vehement, illegal gehandelt zu haben. Olearius war in die Geschäfte involviert, kannte die Abläufe und traf die maßgeblichen Entscheidungen, hieß es in der von der Staatsanwaltschaft verlesenen Anklage.  

"Betrügerische Erlangung von Steuergeldern"
"Es handelt sich lediglich scheinbar um einen gewinnorientierten Handel mit Aktien, da der Gewinn dieser Geschäfte nicht über Marktchancen generiert wird, sondern auf der betrügerischen Erlangung von Steuergeldern basiert", so die Staatsanwaltschaft. Olearius war "insbesondere in Krisensituationen persönlich eingebunden in den Bemühungen, Risiken abzuwenden beziehungsweise Schäden zu begrenzen". 

Wegen Warburgs Cum-Ex-Geschäften wurden bereits zwei ehemalige britische Händler und zwei ehemalige Warburg-Top-Leute verurteilt. Einer von ihnen, der ehemalige Generalbevollmächtigte, der als rechte Hand von Olearius galt, wurde zu fünfeinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und ist seit Januar in Haft.

Cum-Ex-Geschäfte nutzten aus, wie früher Dividendensteuer erhoben wurde, was dazu führte, dass Anleger sich die nur einmal gezahlte Abgabe mehrfach erstatten ließen. Im Jahre 2012 schob Deutschland der Praxis einen Riegel vor. Cum-Ex soll den Fiskus mehr als zehn Milliarden Euro gekostet haben. Gegen mehr als 1.800 Personen aus der Finanzbranche wird deswegen ermittelt.

Kanzler als möglicher Zeuge
Die Ermittlungen machen auch Bundeskanzler Olaf Scholz zu schaffen. In seiner Zeit als Hamburger Bürgermeister traf er sich 2016 zwei Mal mit Olearius. Damals erwog das Hamburger Finanzamt, 47 Millionen Euro von Warburg zurückzufordern – und Olearius drängte Scholz, einzuschreiten. Einige Wochen nach den Treffen verzichtete die Finanzbehörde darauf, das Geld einzutreiben. Auch in der Anklage gegen Olearius werden diese Geschehnisse geschildert. 

Der studierte Jurist Scholz hat stets behauptet, er könne sich nicht an die Gespräche mit Olearius erinnern. Er bestreitet, auf die Entscheidung der Finanzbehörde Einfluss genommen zu haben. Das Landgericht Bonn könnte ihn als Zeugen im Olearius-Verfahren vorladen.

Der Prozess wird am Mittwoch (20.9.) fortgesetzt. Dann will sich die Verteidigung zu Wort melden. Die Kammer hat Hauptverhandlungstermine bis März nächsten Jahres angesetzt (Az.: 63 KLs 1/22). (mb/Bloomberg)