Im Januar 2019 billigte die deutsche Finanzmarktaufsicht Bafin zum ersten Mal einen Wertpapierprospekt einer tokenbasierten Schuldverschreibung. Weitere folgten. Und doch ist noch offen, ob die Tokenisierung von Finanzinstrumenten nicht nur eine aufflammende Modeerscheinung ist, die lediglich den Hype um die Blockchain werbewirksam nutzt. Im nachfolgenden Gastbeitrag für FONDS professionell ONLINE geht Oliver Marc Prager (Bild) von der Düsseldorfer Kanzlei MZS Rechtsanwälte der Frage nach, ob der Token das Zeug zu einem neuen Standard bei der Begebung von Finanzinstrumenten hat. (bm)


Auf den ersten Blick könnte man meinen, für Anleger ändere sich durch die Tokenisierung von Wertpapieren wenig bis überhaupt nichts. Denn schon bisher war es gängige Praxis, dass Wertpapiere nicht mehr in Form einzelner Urkunden verbrieft wurden, die beim Anleger zuhause oder bei seiner Depotbank lagen. Dennoch verändert die Tokenisierung einen Aspekt für Anleger grundlegend: Die Absicherung, wenn das Wertpapier – sprich der Token – abhandenkommt.

In der bisherigen Praxis ist es üblich, dass eine Globalurkunde des Wertpapiers bei einem Zentralverwahrer hinterlegt wird und eine Depotbank das Wertpapier des Anlegers erfasst und verwaltet. Die Übertragung des Eigentums an dem Token verlangt dagegen unabdingbar die Eintragung in der Blockchain. Der Veräußerer des Tokens benötigt dazu den Public Key des Wallets des Erwerbers, sowie den Public Key und den Private Key seines eigenen Wallets.

Die Blockchain mag sicher sein – die Daten sind es nicht
Zwar ist es bislang niemandem gelungen, die Blockchain selbst zu hacken, sicher sind die Daten allerdings nicht. Denn regelmäßig werden die Daten der Menschen oder Firmen gehackt, die über einen oder mehrere Private Keys verfügen. Das heißt: Das Passwort wird ausspioniert.

Ist der Private Key einmal gestohlen, gibt es keine realistische Chance, den Dieb ausfindig zu machen. Auch wer seinen Private Key verlegt oder vergisst, verliert damit die Möglichkeit, über seine so geschützten Werte zu verfügen. In beiden Fällen ist das Ergebnis das gleiche: Die dem Wallet zugeordneten Token oder Einheiten von Kryptowährungen sind für den Anleger praktisch für immer verloren.

Das altmodische Wertpapier hat Vorteile
Ein Verfahren, das eine unrechtmäßige Änderung rückgängig macht oder das den Private Key wiederherstellt, existiert für Token schlicht nicht. Hier hat das altmodische Wertpapier klare Vorteile. Damit ist ein wesentliches Problem tokenisierter Wertpapiere identifiziert: die Angreifbarkeit des Private Keys.

Doch der Token hat auch einen elementaren Vorteil, nämlich die niedrigeren Kosten. Bei tokenbasierten Wertpapieren fallen Haltekosten in der Regel überhaupt nicht an und auch die Transaktionskosten sind erheblich niedriger als bei herkömmlichen Wertpapieren.

Der Token hat einen erheblichen Werbeeffekt
Für die Emittenten sind die Konsequenzen der Tokenisierung von Wertpapieren sehr gering. Sind die technische Grundlagen als möglicher Kostenfaktor gestemmt, muss der Emittent nur noch die Zentralverwaltung finanzieren.

Bleibt als erfolgsentscheidender Aspekt letztlich die Akzeptanz des Marktes und die Nachfrage nach dem Wertpapier. Hier hat der Token einen erheblichen Werbeeffekt. Eine Emittentin, die einen Token ausgibt, gibt sich ein extrem fortschrittliches Image.

Ausblick
Nach heutigem Stand ist der Token wohl am ehesten für kleinteilige Emissionen geeignet. Dort kann er seine eminenten Kostenvorteile entfalten. Bei großen Summen muss sich der Investor entscheiden, ob er das Risiko eines Verlustes des Private Key zu Gunsten einer höheren Praktikabilität eingehen will.


Oliver Marc Prager, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, berät Finanzdienstleister und Unternehmen auf dem Gebiet des Kapitalmarktrechts für die Düsseldorfer Kanzlei MZS Rechtsanwälte.