Nachdem die Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mehr als ein Vierteljahr zurückliegt, hat FONDS professionell die finanzpolitischen Sprecher der im Bundestag vertretenen Parteien in Berlin besucht. Zwar treten Themen wie ein mögliches Provisionsverbot in Zeiten des Ukraine-Krieges in den Hintergrund, dennoch haben die Sprecher zu wichtigen Fragen der Finanzpolitik Stellung genommen. Heute bezieht Michael Schrodi Position. Er hat in der neuen Legislaturperiode als finanzpolitischer Sprecher der SPD die Nachfolge von Lothar Binding angetreten.


Herr Schrodi, das Projekt, Finanzanlagenvermittler mit Erlaubnis nach Paragraf 34f Gewerbeordnung (GewO) unter die Aufsicht der Bafin zu stellen, ist in der vergangenen Legislaturperiode nicht zustande gekommen. In den aktuellen Koalitionsvertrag hat es keinen Eingang gefunden. Sollte das Vorhaben Ihrer Ansicht nach trotzdem noch einmal aufs Tapet kommen? 

Michael Schrodi: Unsere Positionierung als SPD-Bundestagsfraktion war immer klar. Wir haben uns für einen lückenlosen, standardisierten Verbraucherschutz stark gemacht und wollten daher die Aufsicht über 34f-Vermittler bei der Bafin ansiedeln. An dieser Auffassung hat sich nichts geändert. Es wird sich zeigen, ob das Projekt in der laufenden Legislaturperiode gemeinsam mit den Koalitionspartnern machbar ist. Im Koalitionsvertrag ist es nicht vereinbart, aber die Legislatur ist ja lang. 

Auch ein Provisionsverbot in der Finanz- und Anlageberatung ist im neuen Koalitionsvertrag nicht vorgesehen, obwohl Bündnis 90/Die Grünen es im November 2021 noch vehement gefordert hatten. Werden Sie sich für ein Verbot der provisionsbasierten Beratung einsetzen?

Schrodi: Nein, ein generelles Provisionsverbot hatten wir nie auf der Agenda. Es geht uns vielmehr darum, einen Provisionsdeckel einzuziehen, zum Beispiel in der Lebensversicherung. Das hätten wir in der vergangenen Legislaturperiode schon gerne gesehen, aber darüber gab es keine Einigung. Einen solchen Deckel sehen wir immer noch als wichtiges Thema an, das diskutiert werden muss. 

Wird das Projekt nicht am Widerstand der FDP scheitern?

Schrodi: Wir halten einen Provisionsdeckel für sinnvoll, damit wir die Kosten bei Abschlüssen verringern und die Produkte damit auch attraktiver gestalten können. Wir haben dazu eine klare Haltung. Aber ob das Projekt Erfolg haben wird, das müssen Sie die FDP fragen.

Im Koalitionsvertrag ist die sogenannte "Aktienrente" verankert, deren Start nun erst einmal verschoben wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik soll in der gesetzlichen Rentenversicherung das Umlageverfahren durch eine Anlage am Kapitalmarkt erweitert werden. Wird sich auf diese Weise tatsächlich eine Rente ermöglichen lassen, die den Lebensstandard der Bürger sichert, oder ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein?

Schrodi: Die SPD ist klar der Auffassung, dass die gesetzliche Altersvorsorge die Grundlage sein muss für eine Rente, die im Alter den Lebensstandard der Bundesbürger sichert. Mit der Aktienrente wollen wir aber eine Erweiterung ermöglichen, wir möchten die gesetzliche Rente ergänzen und verbessern. Wir starten mit zehn Milliarden Euro, das ist wahrlich kein Pappenstiel. 

Das System der privaten Altersvorsorge soll grundlegend reformiert werden. Dazu soll das Angebot eines öffentlich verantworteten Fonds mit einer Opt-out-Möglichkeit für die Bürger geprüft werden. Was versprechen Sie sich von diesem Projekt?

Schrodi: Wir haben immer gemerkt, dass die Riesterrente nicht so angenommen wird, wie man sich das einmal versprochen hat. Auch die Kosten sind relativ hoch. Jetzt wollen wir ein öffentlich verwaltetes Standardmodell einführen, einen Fonds, der es allen Bundesbürgern ermöglicht, in die private Altersvorsorge einzusteigen. Wir finden, das ist eine gute Erweiterung der privaten Altersvorsorge und wir wollen das Vorhaben auf jeden Fall vorantreiben.

Und wie soll es mit der Riester-Rente weitergehen? 

Schrodi: Für das bestehende Riester-Modell wird es einen Bestandschutz geben. Aber wir sehen ganz klar, dass wir andere Formen der staatlich geförderten privaten Altersvorsorge anbieten müssen und wollen. Mit dem Bürgerfonds werden wir ein weiteres Angebot vorlegen, das attraktiv ist. Dieses zweite Standbein kann die Riester-Produkte ergänzen und Auswahlmöglichkeiten bieten.

Moment, Sie sprechen von einer Ergänzung. Bedeutet das, dass auch künftig neue Riester-Verträge abgeschlossen werden können?

Schrodi: Man wird noch sehen, ob das weiterhin möglich sein wird, oder ob das neue Modell die Riester-Produkte überflüssig macht. Dies ist noch eine Frage der Abstimmung. Ich halte den neuen Bürgerfonds jedenfalls für zukunftsweisender.

Ab dem 22. August 2022 sollen Anlageberater bei Banken und Vermögensverwalter die Nachhaltigkeitspräferenzen Ihrer Kunden in der Geldanlage abfragen. Ist dies ein vernünftiges Projekt, das zu mehr Nachhaltigkeit führen wird?

Schrodi: Ja, das Projekt ist notwendig. Wenn Kapitalströme in nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten geleitet werden sollen, müssen in der Anlageberatung die Präferenzen der Kunden abgefragt werden, auch wenn die Abfrage einen größeren Aufwand mit sich bringt. Zudem braucht der Berater Kriterien, damit er sicher sein kann, dass er Finanzprodukte empfiehlt, die auch als nachhaltig angeboten werden dürfen. Dazu dienen die Vorgaben aus Brüssel, die wir richtig finden. 

Mit dem Regelwerk der Taxonomie legt die EU-Kommission Standards für ökologisches Wirtschaften fest. Atom- und Gasenergie werden in dem Klassifizierungssystem nun aber als nachhaltig eingestuft. Wie bewerten Sie diese Einstufung?

Schrodi: Wir haben uns als Bundesregierung klar verhalten, auch im Finanzausschuss haben wir uns mit der Einstufung auseinandergesetzt. Für uns ist klar, dass Atomkraft nicht nachhaltig ist und bei dieser Haltung bleibt es auch. Wir wollen unbedingt verhindern, dass neue Atomkraftwerke Investoren anlocken, weil sie als nachhaltig gelten. Aber wir kennen natürlich die aktuellen Mehrheitsverhältnisse im Europäischen Rat. Ich bin gespannt, wie die Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament aussehen werden. Da ist die Sache vielleicht nicht ganz so sicher. Aufseiten der SPD und der Bundesregierung ist jedenfalls klar, dass Atomkraft nicht nachhaltig ist, und diese daher auch nicht in der EU-Taxonomie eingestuft werden darf.

Welche großen finanzpolitischen Pläne verfolgt Ihre Partei in der laufenden Legislaturperiode? 

Schrodi: Angetreten sind wir mit dem Plan, das Land zu modernisieren und finanzielle Rahmenbedingungen für möglichst hohe öffentliche und private Investitionen zu schaffen. Letztere wollen wir durch neue steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten vorsehen. Zudem wollen wir die Digitalisierung nutzen, um noch stärker gegen Steuerbetrug zu kämpfen. Auch das Thema Banken- und Kapitalmarktunion möchten wir vorantreiben. Es gibt ja den Vorstoß der französischen Ratspräsidentschaft, dieses Projekt zeitnah umzusetzen. Das begrüßen wir, das ist auch eine Zielsetzung der SPD.

Vielen Dank für das Gespräch. (am)


Zu allen Fragen hat ebenfalls Stellung genommen:
Katharina Beck, Bündnis 90/Die Grünen
Markus Herbrand, FDP
Antje Tillmann, CDU/CSU


Einen Bericht mit den Stimmen der Finanzexperten aller im Bundestag vertretenen Parteien zu aktuellen Fragen der Finanzpolitik und der Altersvorsorge finden Sie in der neuen Ausgabe 1/2022 von FONDS professionell, die in Kürze erscheint.