Paukenschlag aus Brüssel: Die EU-Kommission hat ihre Pläne für ein Provisionsverbot in der Finanzberatung fallen gelassen. Finanzkommissarin Mairead McGuinness verkündete am späten Donnerstagnachmittag (27.4.) in einer Rede auf einer Konferenz in Stockholm, dass sie auf ein vollständiges Provisionsverbot für Anlageprodukte verzichten werde – Versicherungen waren von ihren Plänen ohnehin nicht direkt betroffen. Ganz vom Tisch ist das Verbot aber nicht, in der Zukunft könnte es wieder diskutiert werden. Das berichten das "Handelsblatt" wie auch die Nachrichtenagentur "Reuters".

"Wir haben denen zugehört, die uns sagen, dass ein vollständiges Provisionsverbot zu diesem Zeitpunkt zu disruptiv sein könnte", zitiert das "Handelsblatt" McGuinness, deren Vorhaben zum ersten Mal Ende Dezember öffentlich wurde. Man erwäge nun andere Maßnahmen wie mehr Transparenzpflichten. Bereits vorher war bekannt geworden, dass die Kommission die Veröffentlichung der Details ihrer EU-Kleinanlegerstrategie, in deren Rahmen das Verbot kommen sollte, vom 3. Mai auf den 24. Mai verschieben wird. 

Erfolgreiche Lobbyisten 
Die Irin beugt sich damit offensichtlich dem Druck aus der Finanzbranche und etlicher EU-Regierungen. Die deutschen Branchenverbände, etwa der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), der AfW Bundesverband Finanzdienstleistung oder der Votum Verband Unabhängiger Finanzdienstleistungs-Unternehmen, hatten gewarnt, dass ein Provisionsverbot zehntausende Arbeitsplätze kosten würde und Kleinanlegern eine "Beratungswüste" drohe. Auch der deutsche Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich mehrfach in Brüssel für die Beibehaltung der Provisionsvergütung eingesetzt.

In ihrer Rede ließ McGuinness laut "Handelsblatt" aber keinen Zweifel daran, wo ihre Sympathien liegen. Sie argumentierte erneut, dass ein Berater, der auf Provisionsbasis arbeitet, eigentlich ein Verkäufer sei. Er habe ein eigenes finanzielles Interesse daran, dem Kunden ein möglichst teures Produkt zu verkaufen. So argumentieren auch Verbraucherschützer und Teile der Politik wie die Grünen-Bundestagsfraktion in Berlin, die nun enttäuscht sein dürften.

Herz schlägt für Honorare
"Kleinanlegern werden selten die günstigsten Produkte angeboten, obwohl diese häufig genauso gut sind wie die teureren", wird McGuinness weiter zitiert. Auch wüssten die Kunden häufig nicht, wie viel sie für Finanzprodukte bezahlen oder wie man die erhältlichen Produkte vergleiche. Deshalb sei es in diesem Bereich mehr als in jedem anderen nötig, die Interessenskonflikte zu adressieren.

Die Kommissarin betonte daher der Wirtschaftszeitung zufolge, dass Verschärfungen bei Provisionen auf die Branche zukommen werden. "Es sollte eine bessere Auflistung der Kosten geben, damit Verbraucher leichter verschiedene Optionen vergleichen können", sagte sie. Es müsse mehr Kontrolle durch die Finanzaufsicht geben. Auch will sie Provisionen bei Execution-only-Geschäften verbieten, also dann, wenn eine Finanzfirma nur eine Order ausführt, ohne jegliche Beratungsleistung.

Provisionsverbot in der Hinterhand
Um die gewünschten Verhaltensänderungen in der Branche zu erreichen, behält McGuinness das vollständige Provisionsverbot in der Hinterhand. Der Gesetzesentwurf werde eine Revisionsklausel enthalten, die ein vollständiges Provisionsverbot zu einem späteren Zeitpunkt erlaubt, sagte sie – und fügte hinzu: "Falls es nötig sein sollte." (Lesen Sie hierzu auch den Kommentar von FONDS professionell-Chefredakteur Bernd Mikosch: "Provisionsdebatte: Nur eine Atempause für die Branche".)

Der BVK meldete sich bereits zu Wort. "Wir begrüßen diesen richtigen Schritt und werden den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens eng begleiten. Im Moment überwiegt jedoch zunächst die Erleichterung, dass sich unsere intensiven Bemühungen in Zusammenarbeit mit unserem europäischen Dachverband der Vermittler BIPAR (European Federation of Insurance Intermediaries) in den letzten Wochen gelohnt haben und unsere Argumente gehört wurden", so BVK-Präsident Michael H. Heinz. "Die Forderung nach weiteren Offenlegungspflichten sehen wir als Chance für die Branche. Hier gilt es, noch im weiteren Dialog eine ausgewogene Lösung im Sinne eines sinnvollen Verbraucherschutzes zu erzielen", so Heinz. (jb)